Harrys Höllen-Cocktail
hob die Schultern und gab die Antwort leise. »Mickrig, ziemlich mickrig. Den vergißt man schnell, wenn man ihn sieht. Er hinterläßt keinen bleibenden Eindruck.«
»Das dürfen Sie aber nicht zu laut sagen.«
»Weiß ich, aber sehen Sie es nicht so eng. Hier in Cannes wechseln die Herren die Mädchen wie ihre Hemden. Mich wundert es, daß Claudine so an diesem Spanier hängt.«
»Er soll ja faszinierend sein.«
»Kann ich mir nicht vorstellen.«
Unser Gespräch wurde unterbrochen, weil Claudine den eingebauten Kassetten-Recorder eingestellt hatte. Musik von den Stones jagte durch die Lautsprecher. Sosehr mich die Gruppe auch damals fasziniert hatte, im Augenblick war die Musik unpassend, auch wenn Claudine sich schon im Takt bewegte und die Geschmeidigkeit ihres Körpers unter Beweis stellte. Bill saß günstig. Er stellte das Ding ab. »He, das ist nicht fair.«
»Doch«, sagte ich, »wir wollen uns noch unterhalten.«
»Keine Action?«
»Später vielleicht.«
»Merde. Ihr seid Schlaffies.«
»Möglich, aber lassen wir das. Ich habe noch eine Frage, die sich auf Ramon bezieht.«
»Raus damit.«
»Er war gut, nicht?«
»Super!« steigerte sie. »Ramon war einfach super.«
»Seit seiner Bewußtseinserweiterung.«
»Ja, er war in der tollen Clique. Vielleicht komme ich in sie auch rein. Dann kann ich ganz andere Welten erleben, hat er gesagt.«
»Welche denn?«
»Frag mich was Leichteres.« Sie tippte auf meine Brust. »Was hast du überhaupt mit Ramon? Ich bin auch da. Reiche ich dir nicht?«
»Sicher, aber ich will auch in die Clique.«
Claudine schaute mich überrascht an. »Zu den Höllenbrüdern?« fragte sie noch.
Jetzt war ich erstaunt. »Heißen die so?«
»Ja, wußtest du das nicht?«
»Nein, bisher nicht.«
Ich warf Bill einen Blick zu. Der Reporter nickte nachdenklich. Er hatte auch verstanden.
Höllenbrüder, das war eine Bezeichnung, über die man lachen konnte oder auch nicht. Es gab Rockerclubs, die sich solche und ähnliche Namen zulegten, aber wir hatten es hier nicht mit Rockern zu tun, sondern mit Küsten-Haien, die auf Mädchenfang gingen. Dagegen war nichts zu sagen, solange die Mädchen erwachsen waren. Sollte allerdings der Teufel im Spiel sein, wurde die Sache gefährlich.
»Ein komischer Name.«
»Habe ich auch erst gedacht, aber die halten zusammen. Und Ramon ist tatsächlich ein Großer geworden. Den kenne ich gar nicht wieder, Mann, so scharf ist der.«
»Wie groß ist der Club?«
»Keine Ahnung. Jedenfalls ist der Club an der Côte. Daran gibt es nichts zu rütteln.«
»Das glaube ich auch.«
»Noch was?«
»Ja, wir warten auf ihn.«
»Das kann lange dauern. Ramon kommt und geht, wann er will. Wenn er euch sieht, kann er sauer werden.«
»Wir wollen ihm auch nur einige Fragen stellen.« Bill hatte noch eine Frage. »Kennst du eigentlich Harry?«
Claudines Augen wurden groß. »Meinst du den Keeper?«
»Ja.«
»Wer kennt den nicht? Harry ist in hier. Außerdem ist es das Stammlokal der Höllenbrüder. Wir sind oft dort gewesen. Ist immer ein irres feeling. Da geht die Post ab.«
»Der Laden ist geschlossen.«
»Er wird heute wiedereröffnet.«
»Kommt Ramon auch?«
»Alle sind da.«
»Die Clique?«
»Klar.«
»Wo wohnt Ramon?«
Sie schenkte sich ein drittes Glas Champagner ein. Etwas Flüssigkeit lief über, benetzte ihre Finger, und sie leckte die kleinen Perlen ab. »Meine Fresse, fragt ihn doch selbst.« Sie nahm einen Schluck. »Jetzt kommt er, ich habe Schritte gehört. Den Gang kenne ich.«
In der Tat bewegte sich jemand auf dem Deck. Auch wir hörten die Tritte. Ramon oder wer immer er war, pfiff sogar ein Lied, als er sich dem Salon näherte. Wir hatten die Eingangstür nicht verschlossen, er tauchte plötzlich auf und blieb stehen.
Sein Gesicht, etwas aufgedunsen, aber braungebrannt, wurde zur Maske. Er starrte uns an. Zuerst Bill, dann Germaine, auch Claudine, die etwas sagen wollte, aber ihren Mund hielt, weil der Blick ihres Freundes hart geworden war. Und dann stierte er mir ins Gesicht.
Ich wich dem Blick nicht aus, hatte aber das Gefühl, von einem Peitschenschlag getroffen zu werden. Zwischen uns funkte es. Nur waren es keine positiven Gefühle oder Wellen, die hin-und herschlugen, eher das Gegenteil, und der Spanier wurde plötzlich blaß. Er ging zurück.
»Ramon!« rief Claudine. »Verdammt, was ist denn? Bleib doch hier!«
Er sagte nichts und schüttelte nicht einmal den Kopf. Auf dem Absatz machte er
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