Harrys Höllen-Cocktail
Auch Germaine sah stark aus. Roter Minirock, der sehr eng saß, darüber eine dreiviertellange Jeansjacke, auf der Straßschmuck funkelte. Die weiße Bluse war tief geöffnet. Zahlreiche Ketten versperrten leider die schöne Aussicht. Ein moderner Gürtel, der mich schon an ein Korsett erinnerte, umspannte ihre Hüften. Er bestand aus schwarzem weichen Leder. Die feinen, ebenfalls dunklen Strümpfe zeigten ein Muster, das sich aus kleinen Schmetterlingen zusammensetzte.
Ihr Haar war ordentlich-unordentlich frisiert. Bunte Spangen lockerten es auf.
»Sie sind richtig«, sagte ich und nickte anerkennend.
Germaine winkte ab. »Was meinen Sie, was hier im Sommer herumlaufen wird. Da bin ich noch konservativ angezogen. Erlaubt ist, was gefällt. Gerade in Cannes hält man sich daran. Hier sehen sie wirklich die buntesten Paradiesvögel.«
»Kann ich mir vorstellen.«
»Wollen wir?«
»Sicher.«
Auch Bill war bereit. Er schaute auf seine Uhr. »Es ist sechs«, sagte er, »dann wird es Zeit.«
Germaine, die die Szene kannte, stimmte zu. »Die ersten warten sicherlich schon an der Tür.«
Wir nahmen wieder ihren Jaguar. Noch war es hell, aber die Stadt hatte sich irgendwie verändert. Sie besaß plötzlich ein völlig anderes Flair. Mir kam es so vor, als hätte sie die letzten Stunden in einem gewissen Schlaf gelegen und wäre erst jetzt erwacht.
Der Verkehr auf der Küstenstraße war stärker geworden. Teurere Modelle rollten über den Asphalt. Porsche, Mercedes, auch einige Italiener, für die man viel hinblättern mußte.
Und dann die Mädchen!
Man konnte sie mit gutem Gewissen als eine Augenweide bezeichnen. Was da an den Lokalen und Cafés vorbeiflanierte, hatte schon Klasse und Rasse. Ich riskierte bei manchen Mädchen nicht nur einen Blick, sondern gleich drei.
Auch Bill ließ sich den Anblick nicht entgehen und schaute vom Wagen aus in die erwartungsvoll lächelnden Gesichter mit den oftmals hungrigen Augen, die stets auf der Suche nach einem Stück Leben waren, wie es den Mädchen gefiel.
Mir allerdings weniger. Ich war kein Freund dieser oberflächlichen Schau, wo nur abgestaubt wurde, man sich eine Nacht amüsierte, am folgenden Morgen oft der Katzenjammer kam und die Mädchen einfach wieder weggeschickt wurden.
Bis zum Abend hatten sie sich dann wieder gefangen und gingen erneut auf die Suche.
Darüber sprachen wir auch mit Germaine Gradie.
»Es ist eben so«, sagte sie, »jede hier sucht ihre Chance. Und jede ist bereit, dafür fast alles zu tun. Wer hierherkommt, will genießen und leben. Oftmals denkt er nicht daran, wie schlecht dieses Leben auch sein kann, aber den Wunsch, einmal groß herauszukommen, haben alle.«
»Wer hat den nicht?« fragte ich.
»Nur muß man auch etwas können. Und Filmproduzenten gibt es auch nicht wie Sand am Meer. Es kommt nicht mehr oft vor, daß ein Mädchen auf der Straße für den Film entdeckt und ein großer Star wird. Diese Zeiten sind vorbei.«
Wir glaubten Germaine, denn sie kannte die Szene am besten. Auf den Dächern der Hotelpaläste wehten zahlreiche Flaggen. Hinter den Mauern brannten die Lichter, und auch in Hafennähe leuchteten bereits die Reklamen.
Am Himmel hatten sich schon die Abendwolken wie dicke Berge versammelt. Langsam trieben sie weiter.
Ich saß diesmal vorn und hatte die Beine ausgestreckt. Wir gerieten in die Nähe der Bar, sahen die Beleuchtung, mußten aber vorbeifahren, weil es keinen Parkplatz gab.
Die Suche dauerte etwas. Nah am Strand fanden wir dann einige freie Buchten.
Als wir ausstiegen, kam jemand, um zu kassieren. Er hatte keine Berechtigung, grinste schmierig und zerknüllte den Schein, den Germaine ihm gab.
Dann ging er.
»Warum haben Sie ihn bezahlt?« fragte ich.
»Weil ich meinen Wagen gern ohne zerstochene Reifen wiederhaben möchte.«
»Eine kleine Mafia, wie?« fragte Bill.
»So ähnlich. Hier kostet alles Geld, denn ein jeder will verdienen. Daran haben wir uns gewöhnt.«
Wir schlenderten den Weg zurück, hatten Germaine in die Mitte genommen und unterschieden uns in nichts von anderen Passanten, die auf der Suche nach einem schnellen Abenteuer waren. Des öfteren fiel mir auf, daß junge, dunkelhäutige Männer an Baumstämmen lehnten und teilnahmslos zu Boden blickten. Germaine Gradie hatte auch dafür eine Erklärung. Es waren die Typen, die Stoff verkaufen wollten. Zumeist kamen sie aus dem nördlichen Afrika. Die Straße überquerten wir an einer Ampel. Damit befanden wir uns auf der Seite, wo
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