Hart
mächtig ausgeschlagen. Der erste Schuss war besser gewesen, als ich erwartet hatte – ich hatte die Schulter des lebensgroßen Pappkameraden gestreift. Das Ziel schwankte noch.
Ich zielte erneut und dachte dabei an das, was Tom über mein dominantes Auge gesagt hatte. Diesmal traf der Schuss den Arm des Pappkameraden. Ich kam der Sache schon näher. Wie viele Kugeln ich wohl hatte? Hieß es eigentlich Kugeln oder Patronen? Ich schoss wieder, zielte diesmal aber weniger sorgfältig. Zu meiner Überraschung traf ich den Pappkameraden in den Hals.
Hinter der Scheibe neben dem Schießstand war Tom zu sehen. Er verschränkte die Arme, sagte etwas zu dem Mann an seiner Seite und nickte mir dann zu.
Der nächste Schuss traf den Pappkameraden in den Bauch.
«Gut!» Ich sah Toms Mundbewegungen durch die Scheibe.
Der nächste Schuss ging daneben und streifte die Pappe nur knapp. Ich hatte sozusagen meine frischgewonnene Glaubwürdigkeit schon wieder zerschossen. Daraufhin zielte ich sorgfältiger, und diesmal riss die Pappe befriedigend auf, und der Schuss ging genau durch die Mitte. Unwillkürlich entfuhr mir ein entzückter Schrei.
Tom reckte anerkennend den Daumen.
Ich spürte ein leichtes Stechen in den Unterarmen. Ob ich mich zu sehr angespannt hatte? Meine Schultern taten nicht weh, reagierten aber eindeutig auf die Belastung durch die Waffe. So auch mein Herz. Es raste vor Aufregung. So viel Macht in meinen Händen zu halten stieg mir berauschend zu Kopf.
Ich schoss die Pistole leer. Die Pappe ruckte und bebte. Als ich fertig war, hing sie in Fetzen. Über meinem Kopf ertönte ein Pfiff. Von einem anderen Schießstand erklangen die gedämpften Schüsse eines anderen Schützen, der seine Waffe abfeuerte. Tom öffnete die Tür und kam herein.
«Das macht süchtig, nicht wahr?», fragte er. Er wusste verdammt gut, dass er mich am Haken hatte.
«Ich möchte noch mehr schießen.»
«Du kannst so lange schießen, wie du willst.»
Ich sah zu, wie er das Magazin herausnahm, die Kammern sorgfältig überprüfte und die Waffe dann wieder lud. Als er sah, wie hingerissen ich ihn beobachtete, versicherte er mir, dass er mir beibringen werde, wie die Teile zusammengehörten, wie man die Pistole auseinandernahm und wieder zusammensetzte und wie man sie säuberte und lud.
Tom schlüpfte aus der Tür. Ich setzte die Ohrenschützerauf. Ein neuer Pappkamerad glitt an seinen Platz, und ich begann zu schießen.
Als wir später zu Hause waren und gegessen und abgeräumt hatten, setzten wir uns im Keller zusammen. Tom zog die Glock aus dem Halfter. Er hielt sie vorsichtig, aber so sicher, dass man sah, mit dieser Pistole war er so vertraut wie mit seinem eigenen Körper.
«Das hier ist der Schlitten», sagte er, während er begann, die Waffe auseinanderzunehmen. Er benannte jedes Teil, das er auf den Tisch legte. Dort, im schwachen Licht des Kellers, lehrte er mich, wie man eine Waffe pflegt, und machte mich so mit einem anderen Teil von sich vertraut. Er zeigte mir, wie man die Pistole mit einem weichen Lappen auf Silikonbasis putzt, und erklärte mir, dass Hautfett für Waffen äußerst schädlich ist. Damit die Waffe so aussah, wie sie sollte, musste man sie nach jedem Schießen putzen.
Als er fertig war, konnte ich sie beinahe selbst zusammensetzen. Das war verblüffend einfach, wenn man bedachte, welche Gewalt eine solche Waffe besaß. Ich hielt sie in Händen, zielte auf die Wand und bediente den Abzug. Das tat ich aber nur einmal, weil es schlecht für den Hahn war.
«Jetzt ist sie dir nicht mehr so unheimlich, oder?», fragte Tom.
Nein, das war sie nicht mehr. Ich wusste, wie die Pistole innen aussah, ich wusste, wie sie funktionierte, und ich wusste, wie es sich anfühlte, wenn sie geladen war. Ich erkannte die Macht, die dahinter stand, und begriff, wie leicht diese Macht missbraucht werden konnte.
Plötzlich verstand ich.
Ich blickte zu Tom hinüber, und er lächelte mich an.
«Du weißt genau, was du tust, nicht wahr?», sagte ich.
Er ergriff meine Hand. Die Waffe rutschte über den Tisch zwischen uns, jetzt zwar entladen und harmlos, abertrotzdem machtvoll. Plötzlich fiel mir ein, dass eine Waffe wie diese bei meiner ersten Begegnung mit Tom auf mich gezeigt hatte, und die Welt schien zu kippen. Waren seit diesem Moment erst ein paar Wochen vergangen?
«Ich verliebe mich in dich», sagte Tom.
Die Frauen kreischten, die Männer schauten gelangweilt drein, und die Leute vom Sicherheitsdienst wirkten
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