Hart
angespannt. Es gab Dutzende von Männern, die genauso gekleidet waren wie Tom, aber ich fragte mich, ob sie alle so schwer bewaffnet waren wie er. Die Männer, die sich unters Publikum gemischt hatten, vielleicht nicht, aber die, die bei der Band standen, wohl schon.
Tom stand am Rand der Bühne und beobachtete alles durch eine dunkle Brille. An seinem Gürtel hing ein Funkgerät. In seinem Ohr steckte ein winziger Empfänger, und ein kleines Mikrophon schlängelte sich daraus hervor und reichte ihm halb zum Mund. Es war so empfindlich, dass es selbst ein Flüstern einfing. Tom trug einen unauffälligen Anzug und wirkte wie ein Manager, der sich vergewissern will, ob die Band Gewinne für ihn einfährt. Unter dem Anzug waren zwei geladene Pistolen und zwei scharfe Messer verborgen.
Ich hatte ihm beim Ankleiden zugesehen, und als er sah, wie mein Blick auf die Waffen fiel, erzählte er mir mehr darüber.
«Das ist ein Eviscerator», sagte er und klappte eines der Messer auf. Die Klinge war klauenförmig gebogen. Das Licht brach sich an ihrer gefährlichen Schneide. «Wenn du die Waffe ziehst, kommt die Klinge mit derselben Bewegung heraus. Dann schlägst du zu», sagte er und schwang die Waffe durch die Luft, «und sie zerschneidet alles, was ihr in den Weg kommt.»
Ich starrte das Messer an. Toms Hand lag fest und selbstbewusstum den Griff. «Du hast es schon benutzt», sagte ich.
«Es hat mir einmal das Leben gerettet.»
Mehr sagte er nicht und ließ das Messer mit einer beiläufigen Handbewegung in seiner Anzugtasche verschwinden.
Jetzt beobachtete ich ihn vom Rand aus. Ich stand weit weg vom Publikum unten an der Treppe am Rand der Absperrung für die Busse und sah hinter dem Vorhang hervor. Interessiert verfolgte ich, was hinter der Bühne geschah – hatte Tom wirklich geglaubt, dass ich mich langweilen würde? Die Roadies mit ihren Passierbändern für den Sicherheitsdienst sahen genauso aufgeregt aus, wie ich mich fühlte. Ich sah zu, wie sie die Bühne ein letztes Mal überprüften, miteinander plauderten und mit jedem Mädel flirteten, das sie sahen. Nun tauchten allmählich die Musiker hinter der Bühne auf. Alle wirkten müde.
Tom sprach in sein kleines Mikrophon. Innerhalb von Sekunden kam ein Mann in abgeschnittener Jeans und mit T-Shirt die Treppe hinauf und stellte sich neben ihn. Keiner von beiden sagte etwas, aber ich wusste, dass sie hinter ihren dunklen Sonnenbrillen das Publikum aufmerksam beobachteten.
Tom bei der Arbeit zu sehen war eine völlig neue Erfahrung. Jetzt verstand ich, woher diese Momente des Schweigens kamen, diese fast unheimliche Stille und die Ruhe, bei der sich selbst die Eichhörnchen auf seiner Veranda sicher fühlten. Er war als Soldat ausgebildet und in Kriegsgebieten eingesetzt worden, in denen man nur überlebte, wenn man mit der Umgebung verschmolz. Jetzt kam ihm das Gelernte zupass. Es war ein einschüchternder Gedanke, dass er bei einer so großen Veranstaltung den Sicherheitsdienst leitete, aber für Tom, der schon ganz andere Dinge gesehen hatte, war das wahrscheinlich der reinste Spaziergang.
Ich beobachtete die Frauen. Das war interessant. Da waren die lässig gekleideten Frauen, normalerweise in Begleitung ihres Freundes oder anderer Frauen, mit denen sie sich angeregt unterhielten, während sie interessiert die Bühne betrachteten. Es gab schöne und gelangweilte Frauen; die gehörten offensichtlich zur Band und hatten alles schon oft gesehen. Und dann waren da die Groupies, die zu enge Kleider und zu viel Make-up trugen. Sie spreizten sich unmittelbar vor der Bühne und reagierten auf den leisesten Gitarrenklang so aufgeregt wie die sabbernden Pawlow’schen Hunde.
Jetzt, da die Band die Bühne einnahm, schauten sie auf Tom.
Ein Groupie interessierte sich ganz besonders für den Sicherheitsdienst. Sie leckte sich die Lippen und sah Tom prüfend an. Wann immer er in ihre Richtung sah, setzte sie ein kokettes Lächeln auf. Sie schob langsam den Rock die Oberschenkel hinauf und zog den Ausschnitt weiter südwärts. So zeigte sie immer mehr Haut. Als sie seinen Blick erneut auffing, zwinkerte sie. Toms Miene veränderte sich nicht, doch er verlagerte das Gewicht von einem Bein aufs andere und blickte sie einen Moment lang an, bevor er wegsah.
War es immer so gewesen? Hatte er seine Auswahl an Frauen aus den endlosen Reihen im Publikum bezogen? Eine Frau in jedem Hafen, so hatte er gesagt. Jetzt, da ich die offenbar unbegrenzten Möglichkeiten sah,
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