Harte Schule
nicht zu fra gen«, antwortete er und zog Brontë mit knapper Not an den parkenden Autos entlang auf den Haigst. »Die Wahrheit ist, ich wollte dich endlich mal in einen Steingarten prügeln.« Brontë stand mit einem Ruck.
»War’s schlimm?«, erkundigte ich mich.
»Ich werde dir per richterlicher Anordnung untersagen lassen, dich mir auf mehr als achthundert Meter zu nähern. Bis es so weit ist, schlage ich vor, dass wir den Wagen wechseln. Deine Brontë ist mir zu störrisch.«
»Wohin fahren wir?«
»Zu Frau Ringolf. Hermann hat mir versichert, dass er ihr gegenüber nichts von irgendeiner geplanten Aktion gegen TVCinema erwähnt hat. Ihm hat auch kein Staatsanwalt Fuhr etwas gesteckt.«
Auf dem Weg durch die Stadt, den wir in seinem perlgrauen Daimler zurücklegten, erläuterte er mir die Grundlinien des Falls.
Es hatte vor Weihnachten mit einer anonymen Anzei ge angefangen, die bei Fuhr landete. Der Verfasser des Briefes schrieb, dass er im Internet das Angebot von Kinder pornos gefunden habe, die – wie er meinte herausgefun den zu haben – von einem Laden in der Wagenburgstraße im Stuttgarter Osten angeboten wurden. Er sei in den Laden gegangen und habe dort außerdem Raubkopien gefunden, die in Korea und Polen gefertigt wurden. Polizei und Steuerfahndung rückten zur Durchsuchung an und beschlagnahmten hunderte von Videobändern und DVDs. Der Betreiber hatte seine Rechnungen an eine Briefkastenfirma in Luxemburg überwiesen. Außerdem schwärzte er ein Ehepaar an, das die Kinderpornos in der Ukraine gedreht haben sollte. Das Ehepaar war nicht aufzutreiben. Ende Januar meldete sich der anonyme Antragsteller erneut, diesmal telefonisch. Weil er von einem ISDN-Anschluss aus telefonierte und weil der Sachbearbeiter von der Steuerfahndung, an den man ihn durchstellte, mit dem Handy unterwegs war, erschien seine Nummer auf dem Display. So kam Marquardt ins Spiel. Er wollte seine Anzeige ergänzen. Er gab an, in den Weihnachtsferien in Warschau vergeblich einen Videoladen gesucht zu haben, an den TVCinema angeblich exportierte. Bevor der Fahnder sich mit Marquardt treffen konnte, um in Erfahrung zu bringen, woher er die Erkenntnisse über TVCinema hatte, war der Lehrer tot. Der Steuerfahndung war bereits bekannt, dass TVCinema monatlich hohe Ausfuhrumsätze erklärte. So wurde der Verdacht habhaft, und die Ermittler rückten zur Durch suchung der Firmenräume an. Kurt Holzer, der den Vi deo- und DVD-Handel leitet, war abwesend. DVDs und Bänder waren nicht einsehbar, da nach Angaben der Mitarbeiter alle ins Ausland exportiert. Allerdings fehlten auch die Ordner mit den Ausfuhrnachweisen. So blieb der Verdacht zwar bestehen, aber ohne Belege war der Beweis des Umsatzsteuerbetrugs nicht zu führen. Ein neuer Ermittlungsansatz musste her.
»Was war denn auf den Videobändern, CDs und DVDs drauf, die die Polizei in Marquardts Wohnung beschlagnahmt hat?«, erkundigte ich mich.
Richard sah mich an. »Die Polizei hat nichts dergleichen beschlagnahmt, soweit ich weiß.«
Ich kramte aus meinen Jackentaschen den Kassenbon mit der Telefonnummer hervor. »Kennst du die Num mer? Es meldet sich nie jemand.«
Richard schüttelte den Kopf. »Wo hast du das her?«
»Aus einem Buch, das Marquardt und Müller-Elsäßer beide in der Hand hatten.«
»Dann warst du das, die ins Lehrerzimmer eingebrochen ist.«
»Ich war Donnerstagvormittag ganz offiziell dort. Übrigens, dort hat die Polizei nun wirklich eine CD mitgenommen. Was war da drauf?«
»Keine Ahnung.«
Ich fragte mich, worum es Marquardt gegangen war: um das Internet, TVCinema oder Otter. Und wenn er Ermittlungen gegen Kinderpornos im Internet lostrat, warum dann nicht auch gegen Otter. Der war doch viel näher. Die Antwort sei ganz einfach, meinte Richard. Auf eine anonyme Anzeige gegen Otter hätte die Polizei – im Gegensatz zu Steuerfahndern – nicht reagiert. Marquardt habe außerdem die begründete Sorge gehabt, selber als Pädophiler dazustehen, zumal, wenn er im Internet nach solchen Angeboten suchte. Die Polizei hatte ihn schon einmal im Verdacht, als vor zwei Jahren der zwölfjährige Selim Ögalan verschwand, nachdem er beim damaligen Vertrauenslehrer Marquardt in der Sprechstunde gewesen war. Der Verdacht hatte sich nicht aufrechterhalten lassen und war deshalb nicht öffentlich geworden. Aber Otter hatte Marquardt dazu gezwungen, nicht wieder als Vertrauenslehrer zu kandidieren.
Ich sah die Geschichte mit dem vermeintlich drogensüchtigen
Weitere Kostenlose Bücher