Harte Schule
genau in die Mündung hinein. Ich zerrte. Das Mündungsfeuer blitzte. Ich hörte den Schuss nicht, aber wiederum gellende Reifen. Ein Golf krachte dem Mercedes ins Rücklicht. Plötzlich hatte ich die Pistole in der Hand. Diesmal hörte ich den Schuss. Dann stürzten Männer von der Straße auf mich zu, warfen mich zu Boden und entwaffneten mich.
17
Die Polizei sperrte die Neckarstraße, was trotz später Stunde, wie anderntags in der Zeitung zu lesen war, zu einem beachtlichen Verkehrschaos führte. Passanten, so stand ebenfalls zu lesen, hatten eine unbekannte Person nach Schüssen auf einen Staatsanwalt überwältigt, der wie durch ein Wunder unverletzt blieb.
Der Golffahrer schwor Stein und Bein, dass ich geschossen hatte. Zwei Männer hätten schon versucht, mich daran zu hindern, als er hinzukam. Die Polizei bemühte sich, diese beiden Männer unter den Schaulustigen aufzutreiben, doch vergeblich. Weitere selbsternannte Zeugen schlossen sich den Beobachtungen des Golffahrers an. Ich hätte zwei Mal auf den Mann aus dem Mercedes gefeuert. Man habe mir die Waffe gewaltsam entringen müssen. Die Schmauchspuren an meinen Fingern, sagte ein ganz Schlauer, würden ja beweisen, dass ich geschossen hätte.
Richard stand mit dem Einsatzleiter abseits. Man schloss mir die Hände auf dem Rücken und brachte mich in einem Einsatzwagen auf dem Rücksitz unter.
»So, hot’s Streit gebbe?«, erkundigte sich der junge Streifenpolizist im Wagen, offensichtlich mit der Absicht, die Verdächtige durch vertrauensbildende Maßnahmen zum Plappern zu bringen. Er hatte zwei grüne Sterne und einen blonden Schnauzer, ein eckiges Kinn und blaue Augen. »Oder hat Ihne der Mann ebbes do welle?« Mir wäre im Moment ein türkischer Akzent lieber gewesen. »Wo hend Sie überhaupt die Waffe her?«
»Gehört der Schnauzer eigentlich zu Ihrem Dienstgrad?«
Das Schöne an einer Festnahme: Man braucht sich um nichts zu kümmern. Man brachte mich zunächst aufs neunte Revier in der Ostendstraße. Den Kampf mit dem Computerprogramm, das zahlreiche Codes abfragte, ehe der Beamte sich bei der Schilderung des Sachverhalts an den Kampf mit der deutschen Sprache machen konnte, brauchte ich nicht zu führen. Als das Programm zum Schluss abstürzte, ließ man mich ein Stündchen in der Zelle im Keller ausruhen. Stehklo, Betonpritsche und Krakeleien an den Wänden. Unerforschliche Beschlüsse im höheren Dienst führten zu vorgerückter Stunde dazu, dass man mich erneut schloss und in einem Bus hinauf zum Pragsattel fuhr. Ich begutachtete derweil die Handschellen. Sie sind so gebaut, dass es schnell geht. Man braucht sie nicht zu öffnen, um jemanden zu schließen. Man drückt den beweglichen Halbring aufs Handgelenk. Er fährt nach innen, saust durch den feststehenden Halbring hindurch, schwingt herum und schnappt wie eine Kralle um die Knochen. Interne Häkchen sorgen dafür, dass das Eisen sich immer nur in Richtung Schließen bewegt, niemals in Öffnungsrichtung. Zum Öffnen braucht man den Schlüssel. Damit bei zufälligen Bewegungen die Zange nicht immer enger einrastet und das Handgelenk quetscht, drückt man einen kleinen Feststellknopf.
In einem Vernehmungsraum der LPD II nahm man mir die Eisen wieder ab. Die Schutzpolizisten machten sich davon. Ein Kriminaler klärte mich über meine Rech te auf. Da ich überzeugt war, dass Richard sich an die Wahrheit halten würde, blieb auch mir nichts anderes übrig.
»Ist das üblich, dass Sie nachts Herrn Weber in der Staatsanwaltschaft besuchen? In was für einem Verhältnis stehen Sie denn zu ihm?«
»In einem … einem freundschaftlich kollegialen.«
Der Beamte stand auf und ging raus. Nach einer Weile kam er mit EKHK Beckstein wieder.
»So«, sagte sie, »du arbeitest also mit Herrn Weber zusammen. In welcher Funktion denn, wenn ich fragen darf.«
Mir sackte das Blut in den Bauch. Ich Idiot!
Beckstein konnte lächeln. Es sah aus, als lutsche sie salzige Sahnebonbons. Sie setzte sich auf die Stuhlkante übers Eck, das Tischbein zwischen den Beinen, die eine Hand auf der Platte, die andere aufs Knie gestemmt. »Was ist?«, fragte sie gemütlich wie ein Röhrchen Schwarzpulver. »Du bist doch sonst nicht aufs Maul gefallen, mein Junge.«
Der dabeistehende Beamte blickte irritiert auf und versuchte, sich bemerkbar zu machen. Aber Beckstein zeigte Führungsqualitäten.
»Aktionsorientierter Lokaltermin«, lachte sie erdbebentief. »So einen Unsinn habe ich mein Lebtag noch nicht
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