Harte Schule
gehört. Hast du wirklich geglaubt, ich würde auf diesen Intellektuellen-Scheiß reinfallen? Also jetzt mal Klartext: Für wen arbeitest du? Warum spionierst du hier herum?«
»Ich arbeite beim SA.«
Beckstein hieb die Faust auf den Tisch. »Schluss mit den Faxen! Wer oder was ist der SA?«
»Entschuldigen Sie«, hüstelte der andere Beamte, » Frau Nerz arbeitet für den Stuttgarter Anzeiger .«
»So?« Beckstein war vorübergehend etwas aus dem Konzept gebracht, ließ sich aber nicht grundlegend beirren. »Der Herr Nerz arbeitet also für die Presse! Sauber! Dann muss ich dir in aller Form die Frage stellen: Herr Nerz, haben Sie heute oder zu einem anderen Zeitpunkt von Herrn Oberstaatsanwalt Dr. Weber Informationen betreffend den Fall Marquardt oder andere Fälle erhalten?«
»Nein.«
»Und was sucht ein Bürschchen wie du dann nachts in der Staatsanwaltschaft?«
»Ohne meinen Anwalt beantworte ich keine Fragen mehr.«
»Mein lieber Junge, du bist hier nicht als Beschuldigter, sondern als Zeuge. Du musst antworten. Denn ich wüsste nicht, wie du dich durch eine Auskunft über dein Verhältnis zu Herrn Weber selbst belasten könntest.«
»Aber ich habe doch auf ihn geschossen«, gab ich verblüfft zu bedenken.
Beckstein lutschte ihr Salzbonbon. »Willst du ein Ges tändnis ablegen?«
Ich verneinte.
Beckstein drehte sich nach dem anderen Beamten um. »Ist eigentlich noch irgendwo Kaffee aufzutreiben?«
Sie stand auf, kaum war der Beamte draußen, stützte die eine Hand auf die Tischecke und die andere auf mei ne Stuhllehne, näherte ihr Quellpflaumengesicht dem meinen, graste mit den grauen Augen meine Narben ab und sagte: »Unter uns: Herr Weber ist schwul, was? Ist ja nicht verboten, gell. Weißt du, ich erkenne immer, was eine Schwuchtel ist. Ich hab ja nichts dagegen. Jedem das Seine. Keine Angst, mein Junge, ich werde mich schon nicht an dir vergreifen, ich weiß ja, was für eine Angst ihr Jungs vor uns Weibern habt.« Sie lachte auf mich herunter. Ihr Blick rutschte in meinen Schritt. »Aber ein bisschen Entgegenkommen könntest du schon zeigen, findest du nicht? Sonst zieht dir Mama den Schniepel lang.«
Ich kniff die Beine zusammen.
Das Weib gluckste. »Dein Weber steht auf junges Fleisch, was? Noch jüngeres als du. Räuchert einen Schwulenclub aus, damit man ihm nicht auf die Schliche kommt. Das sind die Schlimmsten, die es sich nicht eingestehen wollen.«
»Quatsch!«, entfuhr es mir.
»Dann mal raus mit der Sprache! Du treibst es mit ihm da oben in seinem Büro, dafür kriegst du Informationen von ihm.«
»Nein.«
»Wir sind ein wenig verstockt, was? Wollen den reichen Gönner nicht verpfeifen. Versteh ich. Aber du wirst pfeifen wie eine Nachtigall …«
Unversehens griff sie mir zwischen die Beine. Ich fiel vom Stuhl. Im selben Moment ging die Tür auf. Beckstein sprang wie ein Gummiball hinter den Tisch. Hinter dem Zivilbeamten bückte sich ein ewig langer, dünner Mann unter dem Türsturz hindurch, in dessen hochempfindlicher Intellektuellen-Mimik sich blankes Erstaunen spiegelte.
»Fällt einfach vom Stuhl«, behauptete Beckstein. »Wohl total breit, der Junge. Und was verschafft uns die Ehre Ihres Besuchs?«
Ich rappelte mich vom Boden hoch.
»Guten Abend, Frau Nerz«, sagte der lange Dünne.
»’n Abend.«
»Was machen Sie nur wieder für Geschichten«, tadelte er mich unverzüglich. »Ich habe Ihnen schon hundertmal gesagt, Sie sollen Ihren Dienstausweis bei sich tragen.«
»Ja wie?!«, machte Beckstein.
»Entschuldigen Sie, Frau Beckstein«, sagte er. »Ich dachte eigentlich, es habe sich auch in Ihrer Abteilung inzwischen herumgesprochen, dass Frau Nerz bei uns arbeitet. Haben Sie denn die Mitteilung vom Polizeipräsidenten nicht bekommen? Aktionsorientierter Lokaltermin …«
Beckstein verschluckte das Salzbonbon, drehte sich um und ging wortlos aus dem Raum.
Ich wagte erst draußen auf dem Parkplatz, meinen Retter zu fragen, wer er denn sei.
»Jakob Weißenfels. Polizeipsychologe.«
Er fuhr einen Volvo und setzte mich in beruhigender Tonlage davon in Kenntnis, dass Weber ihn angerufen habe, um ihm die Sache mit der Abteilung DALT zu erklären und ihn in die LPD II zu beordern.
»Was für eine Pointe!«, sagte ich.
Weißenfels lächelte hakennasig. »Weber und ich, wir kennen uns schon lange.«
»Aber Sie wollen mir jetzt nicht auch seine Seelenlage erläutern?«
Weißenfels’ Mundwinkel näherte sich dem Ohr. »Auch ein Polizeipsychologe kann von seiner
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