Harte Schule
jäh ernüchternden Effekt. Ich hatte immerhin einen geliehenen Porsche geschrottet. Aber Sie haben ignoriert, dass ich kurz darauf nicht mehr ansprechbar war.«
»Sie schienen mir nicht unerheblich verletzt«, antwortete Christoph überraschend ruhig. »Ich habe ein Schädeltrauma angenommen, unerfahren wie ich war. Die Symptome sind, wie Ihnen sicherlich bekannt ist, sehr ähnlich der der Trunkenheit. Es schien mir vordringlicher, Sie ins Krankenhaus bringen zu lassen, als eine Blutentnahme anzuordnen.«
Der Polizist in Jeans und Weste und der adrette Staatsanwalt starrten sich an.
»Seitdem«, fuhr Christoph fort, »schaden Sie mir. Selbst wenn ich mich damals für eine Beleidigung hätte rächen wollen – kann man das, was Sie all die Jahre gegen mich angezettelt haben, noch Verhältnismäßigkeit nennen? Disziplinarverfahren, Ermittlungen wegen Korruption, sogar Mordverdacht. Keine Beförderung, A10 KOK auf Lebenszeit. Wollen Sie für diese Art Existenzvernichtung ebenfalls verminderte Schuldfähigkeit geltend machen? Das ist ja Ihre Spezialität.«
Richard lächelte leicht. »Herr Kriminaloberkommissar. Ich brauche Ihre Hilfe. Dafür biete ich Ihnen zwei Gehaltsstufen an: KHK 12.«
»Das können Sie gar nicht.« Christoph erhob sich.
»Hör mal, Christoph«, sagte ich eilig, »was uns dieser Affe im Anzug zu sagen versucht, ist, dass er ohne einen unbestechlichen Bullen nicht mehr weiterweiß.«
Christoph drehte sich in der Tür um.
»So wie ich das sehe«, sagte ich, »haben wir nicht viel Zeit. Wenn das Kultusministerium anfängt zu dementieren, müssen Beweise vorliegen. Marquardts Tod steht im Zusammenhang mit einem Kinderschänderring. TVCi nema wurde aus den Reihen der Staatsanwaltschaft gewarnt. Der Club in der Wörrishofener Straße steht unter dem Schutz korrupter Polizisten. Bollach war der Nutznießer.«
Christoph setzte sich wieder. »Aber Zabel und Juncker können nicht auf Weber geschossen haben, zumindest nicht mit ihrer Dienstwaffe. Sie müssen über jeden Schuss Buch führen, und die Munition wird überprüft.«
»Okay«, sagte Richard, »dann sehen wir eben zu, dass wir Lisa hinter Gitter bringen.«
»He!«, protestierte ich.
Die beiden gingen hinaus. Ich blieb. Richard schloss sei ne Bürotür von außen ab. Ich hörte, wie Frau Kallweit sich im Vorzimmer für den Tag installierte, und probierte die Schubladen von Richards Schreibtisch. Sie waren zugeschlossen. Ich bog mir eine Büroklammer zurecht und stocherte im Zentralschloss herum. Die mittlere Lade, die die Beinfreiheit arg beeinträchtigte, enthielt den üblichen Bürounsinn von Klebstoff über Salzstreuer bis zu einer Werbebeilage aus der Zeitung mit Geschenkartikeln für den Herrn und die Dame, die schon alles hatten. Ein Laden in der Calwerstraße bot Dunhillpfeifen, vergoldete Feuerzeuge, Sektflaschenverschlüsse, Uhren und Qualitätskorkenzieher an, darunter das Luftdruckexemplar, das in Bollachs Sesselfalte ruhte. Ich erinnerte mich an Richards Frage nach der Marke. Sie war dänisch.
Ich rief mit meinem Handy in der Werbeabteilung des Stuttgarter Anzeigers an und erkundigte mich, wann die Beilage erschienen war. Vor Weihnachten. Ich fragte mich, welche der Tausendmarkuhren Richard wohl gefallen würde, entschied mich für einen affigen Tiefseechronometer und tippte die Nummer des Ladens.
Der Geschäftsführer schnarrte zuvorkommend. Nein, diese Korkenzieher habe man nicht mehr vorrätig. Man habe alle fünf Exemplare vor Weihnachten verkauft. Zwei seien zurückgegeben worden, weil sie nicht funktionierten. Von dem Produkt sei eher abzuraten. Wenn der Korken nicht einwandfrei sei, spritze der Wein heraus und der Korken bleibe im Flaschenhals. Die Käufer zurückverfolgen könne man schon, sofern sie mit Kreditkarte bezahlt hatten, aber aus Datenschutzgründen könne er mir in dieser Hinsicht leider nicht weiterhelfen.
Ich bedankte mich und schaute weiter.
Die Schubladen links enthielten Papier, Formulare, Haftbefehle, Durchsuchungsbeschlüsse und Klarsichthüllen. In den rechten Laden stieß ich auf die CD, einige Mappen mit Notizen zu laufenden Verfahren und zuunterst auf eine Kladde, die sich ausschließlich mit mir beschäftigte.
Vom Eintrag ins Taufregister von Vingen übers Schulabgangszeugnis, meine Ausbildung zur Fremdsprachensekretärin, den Hochzeitstermin mit Todt Gallion und mein Gastspiel bei der Frauenzeitschrift Amazone bis zum Eintritt in den Stuttgarter Anzeiger war mein Werdegang belegt. Krks
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