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Harter Schnitt

Harter Schnitt

Titel: Harter Schnitt Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Karin Slaughter
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das schwer zu schaffen. Er war ein sehr sorgfältiger Mann. Sein Ruf war ihm wichtig, und er war auch wichtig für seine Arbeit. Er bekam von der Sache ein Geschwür.«
    Medizinisch gesehen entstanden Geschwüre nicht auf diese Art, aber sie sagte: » Erzählen Sie weiter.«
    » Letztendlich wurde er entlastet. Man fand die Originalformulare. Die Versicherungsgesellschaft hatte Mist gebaut, nicht Bill. Irgendeine Datentypistin hatte das falsche Kästchen angeklickt. Kein Fehlverhalten, nur Inkompetenz.« Will tat es mit einer Handbewegung ab. » Wie auch immer, Evelyn sagte, Bill sei nie darüber hinweggekommen. Es machte sie verrückt, dass er nicht loslassen konnte. Sie stritten sich deswegen. Sie glaubte, er bade einfach nur im Selbstmitleid. Sie warf ihm Paranoia vor. Er sagte, die Kollegen würden ihn anders behandeln. Viele von ihnen glaubten, die Gesellschaft hätte die Schuld zwar auf sich genommen, aber eigentlich sei es Bills Fehler gewesen.«
    Sara war skeptisch. » Eine Versicherungsgesellschaft nahm die Schuld auf sich?«
    » Die Leute kommen auf die verrücktesten Gedanken«, sagte Will. » Wie auch immer, Bill hatte das Gefühl, diese Geschichte hätte all das Gute, das er im Lauf der Jahre getan hatte, einfach ausgelöscht. Evelyn sagte, als dann der Krebs kam– Bill starb drei Monate nach der Diagnose an Bauchspeicheldrüsenkrebs–, glaubte sie, er könne nicht dagegen ankämpfen, weil dieser Vorwurf noch immer auf ihm lastete. Und dass sie ihm nie vergeben habe, dass er nicht gegen den Krebs angekämpft hatte. Er nahm die Krankheit einfach hin und wartete auf den Tod.«
    Bauchspeicheldrüsenkrebs war nicht leicht zu besiegen. Die Chancen für ein längerfristiges Überleben lagen bei weniger als fünf Prozent. » Ein solcher Stress kann das Immunsystem auf jeden Fall belasten.«
    » Evelyn machte sich Sorgen, dass ihr dasselbe passieren könnte.«
    » Dass sie Krebs bekommt?«
    » Nein. Dass die Ermittlungen ihr Leben ruinieren würden, auch wenn sie letztendlich entlastet würde. Dass es ewig an ihr kleben würde. Sie sagte, in den Jahren nach dem Tod ihres Mannes hätte sie ihn sich nie so sehr zurückgewünscht wie an diesem Tag, damit sie ihm sagen könnte, dass sie ihn jetzt endlich verstehe.«
    Sara dachte über das Gewicht dieser Aussage nach. » Das klingt wie etwas, das ein Unschuldiger sagen würde.«
    » Genau.«
    » Heißt das, dass Sie jetzt eher gegen Ihre ursprüngliche Schlussfolgerung tendieren?«
    » Es ist sehr nett von Ihnen, Ihre Frage so diplomatisch zu formulieren.« Er grinste. » Ich weiß es nicht. Der Fall wurde abgeschlossen, bevor ich ihn zu meiner Zufriedenheit zu Ende bringen konnte. Evelyn unterschrieb ihre Papiere und ging in Rente. Amanda hat mir nicht einmal gesagt, dass es vorbei ist. Eines Morgens hörte ich es in den Nachrichten– hochdekorierte Beamtin scheidet aus dem Dienst aus, um mehr Zeit mit ihrer Familie verbringen zu können.«
    » Sie denken, sie kam davon.«
    » Ich komme immer wieder auf eine Sache zurück: Sie war verantwortlich für ein Team, das viel Geld gestohlen hat. Entweder hat sie ein Auge zugedrückt, oder sie war nicht so gut wie ihr Ruf.« Will zupfte an der Plastikkante einer Kassette. » Und da ist dann noch das Bankkonto. Im Vergleich zu Millionen ist es nicht viel, aber sechzigtausend Dollar sind eine Stange Geld. Und unter dem Namen ihres Mannes, nicht ihrem eigenen. Warum das Konto nach seinem Tod nicht umschreiben lassen? Warum es weiterhin geheim halten?«
    » Alles gute Argumente.«
    Er schwieg einen Augenblick, das Kratzen seines Daumennagels auf dem Plastik war das einzige Geräusch im Zimmer. » Faith rief mich nicht an, als es passierte. Ich hatte mein Handy nicht bei mir, es wäre also sinnlos gewesen, aber sie rief mich nicht an.« Er hielt inne. » Ich dachte, vielleicht traut sie mir nicht, weil ihre Mutter betroffen war.«
    » Ich glaube nicht, dass sie daran überhaupt dachte. Sie wissen doch, wie das Gehirn plötzlich leer wird, wenn so etwas passiert. Haben Sie sie danach gefragt?«
    » Sie hat im Augenblick ganz andere Probleme, als mir das Händchen zu halten.« Er kicherte selbstironisch. » Vielleicht sollte ich in meinem Tagebuch darüber schreiben.« Er fing an, die Akten wieder zusammenzupacken. » Wie auch immer, ich lasse Sie jetzt ins Bett gehen. Haben Sie irgendetwas gefunden, was ich wissen sollte?«
    Sara griff nach den beiden Ordnern, die sie beiseitegelegt hatte. » Bei diesen Jungs könnte sich ein

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