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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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echt bis ins Dekor. Das Geschenk, das ich so unbeirrbar gesucht hatte, fand ich in nackte Backsteinwände geschlagen. Ich suchte mir einen kleinen Tisch in dem Lokal, auf einer von ihrer Herkunft so reizend entfremdeten Laderampe, und konnte mir ohne weiteres einbilden, nicht in Omaha diesen Nero di Troia zu trinken, sondern in einer ganz ähnlich wiederbelebten Fabrik in Leipzig oder Berlin. Hier saßen die weltläufigen Leute von Omaha bei italienischem Wein und mediterranen Speisen in der Abendsonne. Ich setzte mich dazu, und als ich das Brot brach und einen ersten Schluck nahm, merkte ich, daß ich dabei gewesen war zu vergessen, wie richtiges Brot schmeckt und Wein.
    In der Dämmerung ging ich zum Missouri und erkannte ihn nicht wieder. Ein Kerl von einem Strom war er geworden, nicht mehr der junge Herumtreiber oben in Dakota, der jede Nacht in einem anderen Bett schlief. Als sei er auf dem Weg hier herunter nach Iowa seinem Meister begegnet, ich stellte ihn mir als japanischen Tuschemeister vor, er mußte sich seiner angenommen haben, so herausgearbeitet trat jede Welle des Flusses hervor, so muskulös, und auf seinen graubraunen Fluten kräuselten sich kleine Strudel. Was auch am Wege lag, der Strom raffte es mühelos auf und trug es fort, Treibholz und Buschwerk, und dort hinten trieb etwas großes Dunkles, ein toter Hirsch.
    Die Spieler
    Vor mir lagen, nach Nebraska, die anderen Windstaaten   – Kansas, Oklahama. Mein vertrauter Gegner, die Straße in ihrer puritanischen Strenge, hatte nun einen Verbündeten, den Südwind. So heftig blies er mir ins Gesicht, so ungestüm ging er mich an, als wolle er mich zurück nach Dakota fegen, über die Grenze, aus dem Land. Die beiden gaben ein dramatisches Paar ab, der Wind war groß und wild, die Straße kleinlich bis zum Geiz. Sie schenkte mir nichts, keine zehn Yards. Überall sonst auf der Welt kam es vor, daß zehn Kilometer auf der Karte sich dann doch als nur neun erwiesen. Die Straße, die ich seit Wochen ging, kannte solche Barmherzigkeit nicht, nie gewährte sie mir Rabatt. Zehn ausgeschilderte Meilen waren exakt zehn Meilen zu laufen, jede einzelne pochte darauf, erfüllt zu werden bis auf den letzten Schritt.
    Jetzt wäre ich froh gewesen, nur diesen einen Gegner zu haben, jede Meile wurde mir doppelt schwer. Ich ging nicht mehr aufrecht, vornübergestemmt kämpfte ich mich nach Süden voran, die Augen zusammengekniffen. Der Wind stürmte nicht nur unablässig gegen mich an, er hob Steinsplitter auf, Dreck jeder Art, um ihn mir ins Gesicht zu wirbeln. Bewarf er mich gar zu heftig, lief ich mit geschlossenen Augen. Eine Schramme in der Iris, und die Reise wäre aus gewesen.
    Ab und zu kam ich in Städte. Ich verstand nun besser,was das ist, eine amerikanische Stadt. Ihr Herz schlug an den Rändern. Mochte ihr Zentrum halb aufgegeben sein, beinah ausgestorben – zu den Rändern hin wurde ihr Lebenswille immer zäher, die Stadt wollte und wollte nicht enden. Eine solche Stadt zu Fuß zu verlassen, wuchs sich leicht zum Tagesmarsch aus, so war es auch in Omaha. Seit Stunden schon war ich der Dreizehnten Straße südwärts gefolgt. Kleine Werkstätten ab und zu, seltener ein staubiges Café, meist bloß Einfamilienhäuser in langen Reihen hart am Asphalt, später, weiter draußen, hinter Zäunen und Grün. In Omaha waren die Bäume noch kahl gewesen und wintergrau, hier draußen brach erster Huflattich aus der Erde, erster Klee in den Kleine-Leute-Vorgärten. Hin und wieder regte ein Hund sich auf, der zeitlebens keinen Mann zu Fuß hatte kommen sehen, harmlose Köter meist, die flüchteten, wenn ich den Stiefel auf den Boden knallte.
    Ich erreichte Bellevue, und wer es nicht wußte, den wies ein Schild darauf hin, daß er gerade den «birthplace of Nebraska» passierte, den ältesten Ort des Staates. Hier hatten sich, noch bevor es Omaha gab, Missionare angesiedelt, erst baptistische, später presbyterianische und auch ein legendärer Jesuit und Indianerforscher. Von Bellevue waren Lewis und Clark aufgebrochen, um eine schiffbare Nordwestpassage zum Pazifik zu suchen – vergeblich – und Land, das die Eroberung lohnte. Dreißig Jahre später begann Prinz Wied hier seine Missouri-Expedition.
    Offutt Air Force Base erschien, eine gleißende, erstaunlich stille Stadt auf den Hügeln. Wachsam standen ihre Kuppeln und Bauten im Land, gefährlich drohendihre Hangars und Radartürme, aber auch verwunschen, verlassen. Sie alle standen im hellen Aprillicht, als

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