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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Landstraße.
    Carols Stimme riß mich aus der Phantasie, in die sie mich geführt hatte. Sie, die das arrangiert hatte, dieses Kabinett voll Mädchenduft vergangener Tage, war alles andere als verträumt. Eine unerschrockene, perfekt frisierte Amerikanerin war Carol, eine Lady des Mittleren Westens, gestählt in allerlei Lebenskämpfen, bereit,neue Kämpfe zu führen. Man konnte sich leicht vorstellen, wie sie in wilderen Tagen ihr Haus gegen angreifende Banditen oder Indianer mit der Waffe verteidigt und ihre mit nostalgischen Posamenten geschmückten Fenster kaltblütig als Schießscharten benutzt hätte.
    Carol war in Europa gereist und, wie sie nebenbei erwähnte, geschieden. Obgleich nicht mehr jung, hatte sie diese Villa gekauft und perfekt dekoriert, ein Erbstück aus der goldenen Zeit von Plattsmouth, als die Stadt eine vor Geschäften flirrende Bahnstation gewesen war. Das war lange vorbei, wie in so vielen früheren Eisenbahnstädten des Westens, durch die ich kam. Den Sommer über vermietete Carol Zimmer, im Winter fuhr sie Taxi. Zwei Ziele habe sie im Leben, sagte sie. «Plattsmouth wieder auf die Landkarte setzen und daß wir Amerikaner unsere schlechten Eßgewohnheiten überwinden.»
    In jenem Jahr wuchs überall im Land und zumal im Westen der Zorn auf Washington. Furiose Kundgebungen gegen den Präsidenten, in Sälen wie unter freiem Himmel, hatte ich im Motelfernsehen gesehen und es mir zur Gewohnheit gemacht, wen ich etwas näher kennenlernte, darauf anzusprechen. Wurde der Zorn in Mikrophone und Kameras geschrien, tönte es oft unangenehm forciert, und das schöne Wort Freiheit, in dessen Namen die Zornigen auftraten, bekam einen abstrakten und zugleich hysterischen Klang. Keiner, mit dem ich darüber sprach, wütete wie die Aktivisten im Fernsehen, aber ich fand auch keinen, dem gefallen hätte, was der Präsident sagte und tat. Auch die Stillen, Nachdenklichen fürchteten, er sei dabei, die Regelnzu schleifen, die ihr Land groß gemacht hätten, die einfachen, harten Regeln der Siedler und Pioniere. In den Plains hörte ich drei Sätze immer wieder: Ich will keine Regierung, die mir sagt, wie ich leben, wirtschaften, vorsorgen soll. Ich will ein Leben auf eigene Faust, wie es meine Vorväter suchten, als sie in dieses Land kamen. Und ich will nicht für die sorgen, die nicht für sich selbst sorgen.
    Den freimütigsten Blick in die amerikanische Seele gewährte mir aber Carol beim Frühstück am anderen Morgen. Am Fuß der schönen, knarrenden Treppe stand eine Schiefertafel, darauf lud sie mich handschriftlich in ihre Küche: «Welcome, Wolfgang Berlin.» Ich nahm es gern an, trank einen Schluck Kaffee, machte mich über die
scrambled eggs
her, die besser waren als alles, was ich unter diesem Namen seit langem gegessen hatte, versuchte auch ihre ausgezeichnete Konfitüre und stellte, als ich satt war, meine Frage. «Carol, wie halten Sie es mit der Regierung?» Und Carol, die meinen guten Appetit mit Genugtuung betrachtet hatte, redete nicht lange um den heißen Brei herum: «Es gibt einen Witz jetzt. Erschieß deinen Kongreßabgeordneten, dann hast du’s gut. Du gehst ins Gefängnis, hast alles frei, Wohnen, Arzt, Kleidung, und kannst noch mal zur Uni gehen, diesmal umsonst. Im Ernst – wir arbeiten, verstehen Sie? Wir arbeiten, bis wir alt sind. So ist es immer gewesen, und so soll es bleiben.»
    «Schön. Aber was ist mit denen, die nicht mehr können?»
    Wir saßen uns gegenüber. Sie sah mir in die Augen. «Wissen Sie was? Wir spielen. Wir spielen und hoffen,es geht gut.» Sie sagte es, als gebe sie ein Geheimnis preis, und so war es. Hörte ich ihr mit offenem Mund zu? Möglich. Die Spielernatur als süßes Geheimnis der puritanischen Ethik, das hatte mir noch niemand verraten, schon gar nicht so freimütig wie Carol in ihrer Küche. Natürlich hatte sie es amerikanisch gesagt: «You know what? We gamble. We gamble and we just hope.» Spielen und hoffen, Einsatz und Glück, darum ging es, und bei ihr klang das Wort
hope
härter als in den Reden aus Washington, nicht so schwärmerisch, und auch das Bekenntnis, ein
gambler
zu sein, ein Spieler, ein Spieler des Lebens, klang härter, als es in der weicheren deutschen Sprache geklungen hätte.
    Es war, als habe sie mir das Türchen des amerikanischen Tabernakels kurz aufgetan und wolle es rasch wieder verschließen. Carol wechselte das Thema und wechselte es doch nicht, sie sagte, der Winter sei hart gewesen. «Sehen Sie nur, die Natur

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