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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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stünden sie unter Verdacht – bloß Tarnung zu sein. Würden unter der Erde, auf der ich ging, Schächte sich öffnen für gen Himmel auffahrende Geheimwaffen, wenn das Kommando kam? Wurde ich beobachtet, oder wurde ich langsam närrisch? Zitterte ich längst über Bildschirme im Inneren der strategischen Stadt, oder blies mir der Südwind Irrsinnssplitter ins Hirn? Nur ein Nebengefühl, eine Spielerei, um von der quälenden Hauptsache abzulenken. Seit dem frühen Morgen ging ich gegen den Wind. Ich konnte nicht mehr.
    Als rechter Hand die Billardhalle auftauchte, eine vor sich hin rostende Blechbaracke, bat ich inständig, sie möge wirklich und offen sein. Man wußte nie bei diesen Rostscheunen, was es mit ihnen auf sich hatte, ob drinnen ein paar Männer an der Bar standen oder längst nur noch Ratten fiepten, man sah es ihnen einfach nicht an. Ich rüttelte an der Blechtür, und sie öffnete sich. Ich trat ein, vor mir lagen zehn oder zwanzig Minuten Erlösung vom Windgebraus. Die Halle war groß, gleich vorn die Bar, Rapmusik lief, ich verstand nur
motherfucker
, immer wieder
motherfucker
, das häufigste Wort.
    Billard war nur ein Vorwand für die Soldatenspäße, die die Blechscheune bot – Jägermeister und die Aussicht auf ein «Oktoberfest with The Girl». Das Girl war auf dem Plakat zu sehen, eine Blonde mit oktoberfestmäßigem Dekolleté.
Motherfucker! Motherfucker!
Ich trank Cola gegen den Durst, den Staub und den Wind und wünschte, mein Vernehmer im grünen Overall wäre jetzt hier. Ich würde ihn zwingen, so lange Jägermeisterzu trinken, bis er beim Leben seiner mutmaßlich irischen Großmutter schwor, der Papst sei der Oberbefehlshaber des Oktoberfests. Wenn ich ihn soweit hätte, würde ich die Motherfuckermusik noch mehr aufdrehen und brüllen: «Sag’s lauter,
motherfucker
! Ich hör dich nicht!»
    Gleich hinter der Motherfuckerbaracke, die ich gestärkt verließ, fand ich eine Nähstube für Air-Force-Soldaten. Eine Familie aus Panama nähte und stickte ihnen die Namen auf die Uniformen. Die Mutter schenkte mir dreierlei: süßen Cappuccino und einen Rosenkranz, einen schlichten, ganz leichten aus hellem Holz; dann zeichnete sie eine Karte auf einen Fetzen Zeitungspapier, sie sollte mich über den Platte River in das Städtchen Plattsmouth führen und dort zu der viktorianischen Villa, in der ich mit etwas Glück ein Bett für die Nacht fände. Etwas verdattert hielt ich das alles in Händen, und bevor ich wußte, wie ich der lieben Frau von der Nähstube danken sollte, winkte mir ihre Tochter, ihr zum Auto zu folgen. Sie brachte mich zu der Stelle, wo der Weg nach Plattsmouth von der Straße nach Süden abzweigte.
    Der Weg erwies sich als gewunden und kompliziert, die Handskizze jedoch als erstaunlich präzise. Sie führte mich sicher durch das unübersichtliche Plattsmouth, eher eine Landschaft als eine Stadt, und zu meinem Ziel, einem Garten, bevölkert von Marien, Heiligen und kopfstehenden Fröschen. Mittendrin die weiße Villa. Drinnen ging es stilistisch strenger zu, wenn man mädchenhafte bis damenhafte Verspieltheit streng nennen möchte. Die Strenge lag in der Durchführung. CarolsHaus war Carols Wunderland, aus einer Traumzeit, von der ich nicht sicher war, ob sie sie je erlebt hatte. Sie führte mich eine dunkle, knarzende Holztreppe hinauf in die erste Etage und öffnete eine Tür. Hier würde ich schlafen. Die hier lebte, war wohl gerade ausgegangen, vielleicht, um frische Luft zu schöpfen, denn letzte Nacht war sie von einer Abendgesellschaft heimgekehrt, spät vermutlich. Ihr langes schwarzes Abendkleid hatte sie an die Schranktür gehängt, zuvor war sie aus ihren eleganten schwarzen Schuhen geschlüpft, sie standen davor und ruhten vom Tanzen aus. Zwei bestickte weiße Nachthemden erwarteten sie, sie hatte die Auswahl, wenn sie heimkam. Und auf ihrem Schreibtisch lagen all die kleinen Dinge bereit, von denen ein Mann sich nicht denken kann, wozu sie gut sein sollen. Ein schöner alter Füllfederhalter, er ging noch an, dazu aber ein Necessaire, ein ganzer Satz Nagelfeilen und weiteres Schönheitsgerät, ein erbauliches Buch. Die in diesem Zimmer wohnte, mußte im heiratsfähigen Alter sein, an das Kindbett war schon gedacht, möglicherweise war die junge Dame verlobt und würde bald vor den Altar treten. «Don’t forget to kiss me goodnight» stand im vergoldeten Rahmen neben dem Bett – das alles war ein wenig verwirrend, allzu hübsch für einen von der

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