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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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Beifahrersitz an. «Geh nicht nach Süden, geh nach Westen», rief Gene mir zu, «zu viele gottverdammte Arschlöcher da unten! Stehlen, betrügen und schlagen unschuldige Leute zusammen.» Gene sah nicht aus wie einer, der sich ohne weiteres zusammenschlagen ließ – zu groß, zu breite Schultern   –, und Jakes Frau war Soldatin gewesen, aber auch sie warnte mich vor Texas.
    «Sei vorsichtig», begann sie, als wir fuhren, «dort tragen alle Waffen. Auch wir haben Waffen, aber nur zur Jagd. In Texas darf man sie immer tragen, du wirst es auf den Straßen sehen. Die Leute dort sind nicht wie hier. Klar, auch wir haben Sorgen, aber unsere größte ist, daß unsere Männer mal betrunken Auto fahren. Da unten geht es um ganz andere Dinge. Mord, Drogen, Banden.» Sie habe eine Weile in San Antonio gelebt. «In den Wohnungen links und rechts von mir wurde gedealt, in der Wohnung gegenüber auch. Wenn du nach Texas gehst, geh nur dahin, wo viele Leute sind – nie allein, nie nachts. Wenn du nach San Antonio kommst, schau dir ‹The Alamo› an, die alte Missionsstation, aber nur kurz, und dann ab – raus aus der Stadt.»
    In England, fuhr sie fort, habe sie die Liebe zur Tradition wiederentdeckt, in der sie bei ihren kalifornischenGroßeltern aufgewachsen sei – die Liebe «zu schönen, alten Häusern, Feldsteinmauern und Feldhecken». Ihre Gedanken flogen zum Farmhaus. «Ich habe hier das Paradies gefunden, ein Haus auf dem Land, ein See in der Nähe.» Beim Abschied legte sie mir die Hand auf den Arm. «Paß auf dich auf. Wir sind da unten in der Minderheit, wir Weißen, es gibt auch dort ein paar gutherzige Leute, aber sie zeigen sich nicht.»
    Wir waren da. Sie und die Mädchen gingen einkaufen, ich lief die O Street hinunter. Es war kalt und windig, graue und schwarze Wolken jagten einander am Himmel, Regen lag in der Luft, es ging auf den Abend zu, der ein Vorabend war. Ich sah Leute in Häusern verschwinden und Straßen sich leeren. Die Sonntagvorabendstimmung kroch hervor und füllte das leere Herz von Lincoln ganz aus.
    Jetzt war allein der Wind noch unterwegs. Er gebärdete sich wie ein Halbstarker in einer leeren Fußgängerzone, kickte Müll und Kaffeebecher umher und zerrte an den Markisen. Morgen war Palmsonntag, für heute blieb nur die Aussicht, entweder in den Straßen von Lincoln auf und ab zu wandern oder in einem billigen Hotelzimmer den Kanal mit den Tornadowarnungen zu suchen. Die Saison der Stürme kam näher, ich näherte mich der Gegend, die Tornado Alley genannt wurde.
    Die Verrückten
    Eines Morgens hatte ich den Duft von frischem Gras in der Nase, über Nacht waren Blüten aus der grauen Rinde gebrochen, auf einmal wehte der Wind warm, und noch etwas war anders, die Robins waren zurück. Ich hatte diese Vögel zuerst in Bancroft bemerkt, in Neihardts heiligem Dichtergarten, jetzt waren sie überall, in den Parks der Städte, auf den getrimmten Rasenflächen der Vorstädte, aber auch draußen im Farmland, wo sie emsig Regenwürmer aus der Erde zerrten. Herausgeputzter kam der Robin daher als unsere Trauer tragende Amsel und zugleich größer, robuster als unser eleganter, nervös schimmernder Star – ein Singvogel, so amerikanisch wie Tom Sawyer und Walt Whitman.
    Mit seinen Frackfedern, seiner orangefarbenen Weste und dem silbergrauen Beinkleid erinnerte der Robin an die immer etwas geckenhaft gekleideten Figuren der Pionierzeit, wie sie in älteren Romanen und Filmen auftraten; Honoratioren, Revolverhelden, Barkeeper in kanariengelben Westen. Schon dem Prinzen zu Wied war der Hang amerikanischer Herren aufgefallen, sich herauszuputzen, auch wenn sie sonst ein eher schlichtes Dasein in einem Provinznest führten. Ob es einen deutschen Namen für «American robin», den Nationalvogel, gab? Ich ging in die nächste Stadtbibliothek und fand «Turdus Migratorius» als Antwort – die Wanderdrossel.
    Mein Ziel hieß Beatrice, mit etwas Glück würde ich die kleine Stadt vor Einbruch der Nacht erreichen. Im Moment war ich auf einer vollkommen einsamen Landstraße unterwegs, ein Schild, das ich vor Stunden passiert hatte, gab mir zu verstehen, mich durch einen «Wilderness Park» zu bewegen, so wild, daß hier das Jagen verboten war. Ich war allein mit dem Wind, dem Ratschen der Frösche in ihren Tümpeln, den Schreien der Vögel. Mich ihnen ganz hinzugeben, gelang mir nicht, wieder hatte ich von Berglöwen gehört, die sich auch in dieser beschilderten Wildnis herumtreiben sollten, und so

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