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Hartland

Hartland

Titel: Hartland Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Wolfgang Buescher
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dunkler Mähne.Bevor Grant starb, gab er ihn seinem Sohn, der lieblos oder geldgierig genug war, das geschenkte Pferd für zehntausend Dollar an einen Pferdenarren aus Beatrice zu verkaufen.
    Zeizefoun war die Sensation in der kleinen Stadt, die sich fortan einen Namen als Pferdezuchtort machte. Als der berühmte Araberhengst 1902 starb, richtete ihm Beatrice ein fürstliches Begräbnis aus – auf der Rennbahn. Auf Stroh gebettet und in eine Decke geschlagen wie in einen Feldherrenmantel, wurde er zu Grabe gelegt.
    Auch einen Stummfilmer aus Beatrice ehrte das Museum und einen filmenden Polizisten der Nachkriegszeit. Er kam auf die Idee, Verhöre nicht länger nur in Wort und Schrift zu führen, sondern sie mit einer Filmkamera aufzunehmen und den Film verhörtechnisch auszuwerten. Bis Kalifornien sprach sich die Innovation herum, 1951 reiste eine Abordnung der Polizei von Los Angeles nach Beatrice, um die neue Methode zu studieren. Fehlt nur noch ein richtiger Hollywoodstar, dachte ich, da sah ich ihn schon. Prominent hing sein Foto in der Galerie der Pioniere und Berühmtheiten von Beatrice: Robert Taylor, Sohn des damaligen Chiropraktikers, stieg zur Metro-Goldwyn-Mayer-Größe der dreißiger, vierziger Jahre auf, heiratete eine deutsche Schauspielerin, Ursula Theiß, und hatte einen Freund, weit berühmter als er selbst – Ronald Reagan. Mit den Reagans waren die Taylors so eng befreundet, daß der frühere Schauspieler und spätere Präsident, als er erfuhr, daß man Robert «Bob» Taylor in seinem Heimatort ehren wollte, einen Brief nach Beatrice schrieb,eine ganz persönliche, warmherzige Erinnerung an den verstorbenen Freund: «Es ist schwer zu glauben, daß ein Vierteljahrhundert vergangen ist, seitdem wir von Bob Abschied nahmen. Ich muß lächeln, wenn ich an Bobs Platz in meinem Leben denke. Wir waren die engsten Freunde – Ursula und Bob, Nancy und ich – und verbrachten viele Abende zusammen in ihrem oder in unserem Haus. Meist grillten wir, und dann saßen wir zusammen am Feuer und schauten zu den Sternen hinauf. Als unser Sohn geboren wurde, war es selbstverständlich, daß Ursula und Bob seine Paten wurden. Umgekehrt war es selbstverständlich für sie, uns zu bitten, die Paten ihrer Tochter zu werden.»
    Zweimal im Leben war ich Ronald Reagan unabsichtlich nahegekommen, einmal in Berlin und jetzt hier in Beatrice. Als er die geteilte Stadt besuchte, um jene Rede am Brandenburger Tor zu halten, die in dem dramatischen Appell an Gorbatschow gipfelte, die Mauer einzureißen, war sein Konvoi unter meinem Fenster in der Friedrichstraße vorbeigefahren, auf den Checkpoint Charlie zu – und die Bewohner der Etage darunter hatten schwarzrote Anarchistenfahnen herausgehängt und ihrem Haß auf Reagan lauthals Luft gemacht. Das war lange her, die Welt hatte sich gedreht, längst floß der Verkehr durch die Friedrichstraße wieder frei, der Checkpoint war ein Touristenspektakel, Reagan lebte nicht mehr, und ich stand hier und las seinen Brief über bestirnte Nächte mit einem geliebten Freund.
    Bevor ich ging, entspann sich ein kleines Gespräch mit der Museumsdame. Als sie hörte, woher ich komme, sprudelten die Erinnerungen, ihre Großmutter warDeutsche, als künftige Amerikanerin geworben drüben in der Alten Welt. «Ein Geschäftsmann aus Beatrice», sagte sie, «fuhr nach Deutschland, um selbst Einwanderer anzuwerben, die Deutschen galten als hart arbeitende Leute.» Im Ersten Weltkrieg jedoch sei die Stimmung umgeschlagen. «Die Deutschen hier wurden schlecht behandelt. Meiner Großmutter steckte es später noch in den Knochen, ich höre noch immer ihr ‹Schsch!›, wenn einer von uns am Telefon Deutsch sprach. Es war ihnen verboten gewesen, Deutsch zu sprechen, aber sie konnten ja kaum Englisch. Die Haustüren von Deutschen wurden gelb angemalt, um sie zu kennzeichnen.» Ob die bibelfesten Puritaner diese Idee aus dem Alten Testament bezogen hatten, wußte sie nicht zu sagen. Der Prophet Ezechiel weist im Auftrag des Herrn die wenigen Gerechten von Jerusalem an, ihre Türen mit dem Blut von Opferlämmern zu bestreichen, auf daß Gott in seinem Zorn sie verschone. Damals in Amerika war es andersherum. In den ersten Jahren hier, sagte die Museumsfrau, hätten ihre Großeltern bei Mennoniten auf dem Feld gearbeitet. «Umsonst, um zu überleben, praktisch als Sklaven.»
    In der Lobby wurde, als ich zurückkehrte, der Geburtstag einer alten Dame gefeiert. Eine andere Dame spielte Harmonium, eine

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