Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
Vom Netzwerk:
ließ uns nicht weitergehen, es gab diese Rangelei und plötzlich ist er eben gefallen und ungünstig mit dem Hinterkopf aufgeschlagen. Jaja, üble Sache, aber man ist ja nicht auf so was vorbereitet. Nein, stimmt, kann man auch nicht, Herr Wachtmeister, niemand kann auf so was vorbereitet sein, da haben Sie Recht. Na, ist ja dennoch beruhigend, dass er wieder auf die Beine kommt, auch wenn es ein Dealer ist, ich meine … ja. Ja, vielen Dank auch, Herr Wachtmeister. Nein, keine Umstände. Ja. Ja. Alles klar. Wiedersehen!
    Am Montagmorgen schiebt mir Hartmut über den Zimtos die Zeitung zu. Er nickt wieder nur, als wüsste er nicht, was er davon halten soll. Im Regionalteil steht:
Dreiste Geschichte Drogendealer beschuldigt Passanten
Am vergangenen Freitag erwehrten sich zwei unbescholtene Passanten den Zudringlichkeiten eines Drogendealers, der ihre Weigerung, von ihm Stoff zu erwerben, mit Pöbeleien und Handgreiflichkeiten quittierte. Die Passanten wehrten sich, der 33-jährige Mann stürzte und erlitt eine schwere Gehirnerschütterung. Doch jetzt kommt’s: In der Vernehmung beteuerte der Mann, einer der beiden Passanten sei aus völlig heiterem Himmel auf ihn losgestürzt und habe ihn schreiend vom Rad geworfen. Den Drogenbesitz wolle und könne er nicht leugnen, wenn auch die mitgeführte Menge zum Eigenbedarf gedacht war, was mittlerweile von der örtlichen Polizeibehörde widerlegt werden konnte. Dennoch poche er auf sein Recht, sagte der Mann. Er verfolge die Absicht, Anzeige wegen schwerer Körperverletzung zu erheben. »Mangels Zeugen würde ein solcher Prozess keinerlei Chance haben«, kommentierte Kommissar Rück von der zuständigen Kommission die Version des angeblichen Opfers mit einem Schmunzeln. »Zumal der gute Mann jetzt erst mal genug mit seiner eigenen Anklage zu tun hat.« In der Wohnung des Mannes wurden Mengen von Crack gefunden und mittels Computerdateien und Notizbüchern ein Handelsring ausgemacht. »Diese Sache ist klein, aber oho!«, so Kommissar Rück weiter. »Wir können dankbar sein, dass es noch Bürger gibt, die in der Not Manns genug sind, sich zu wehren. Das sind noch die Helden des Alltags, die unseren Helden auf der Leinwand gerecht werden!« Vom weiteren Verlauf der Ermittlungen werden wir berichten.
    Ich senke die Zeitung und sehe Hartmut über den Rand hinweg an. Er macht ein »Sag jetzt nichts!«-Gesicht, doch ich kann nicht anders. »Tja, mein Held des Alltags, da bist du wohl den toughen, starken Vorbildern auf der Leinwand gerecht geworden, was?«, sage ich. So viel muss sein. Hartmut deutet ein Grinsen an, um mir zu sagen, dass ich diesen Spott einmal bei ihm guthatte, steht auf, atmet und geht ins Wohnzimmer. Diesmal macht er die Playstation an.

… UND UM UNS TANZTE DER LUMP
    Wir sind unterwegs. Hartmut hat seine neue Freundin mitgenommen. Bettina. Bettina ist nicht wie Susanne. Bettina ist anders. Bettina ist ein Mäuschen. Man sieht ihr nicht an, dass sie fünfundzwanzig ist, sie könnte genauso gut fünfzehn sein und gerade vom Ballett-Unterricht kommen, wie sie da in beiger Seidenhose und Bluse im Rückspiegel neben Hartmut sitzt und die Hände in den Schoß gelegt hat. Ich fahre den Wagen, trage eine abgeschnittene Armeehose und ein T-Shirt der Descendents. Ich habe mich angemessen gekleidet für den Abend, an dem Hartmut seine Bettina das erste Mal in den Freundeskreis einführt. Wir fahren zum Konzert unseres Kumpels Hanno, der das erste Mal mit seiner neuen Band auf der Geburtstagsparty eines Unbekannten auftritt. Der Unbekannte ist ein Punk und bewohnt mit acht anderen Exemplaren ein riesiges altes Haus in Recklinghausen, das sie vor vier Jahren erfolgreich besetzt haben. Hannos neue Band heißt Angry Souls , und wie Hanno mir am Telefon sagte, sollten wir Wasser und Cola selbst mitbringen, denn dort gäbe es nur Bier. Bettina sitzt im Rückspiegel und guckt mit ihren Mäuschen-Augen ängstlich links und rechts aus dem Fenster, als sei Recklinghausen eine Western-Stadt und sie warte auf die beiden Cowboys, die sich gleich quer über den Weg hinweg duellieren. Ich frage mich, ob es klug von Hartmut war, Bettina ausgerechnet heute Abend mitzunehmen.
    »Und genau darum geht es! Selbstbestimmung! Eine Alternative aufmachen! Abseits der normalen Verhältnisse leben!« Als ich den Wagen passgenau zwischen zwei Eichen setze, beendet Hartmut seinen Vortrag über die Vorteile der autonomen Lebensweise in besetzten Häusern, die bewundernswerte Konsequenz libertärer

Weitere Kostenlose Bücher