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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Bombe waren sie eine Zeit lang nicht gut auf uns zu sprechen, aber nachdem wir mehrere Wochen täglich drei Mal bei ihnen Futter holten, hatten wir unsere Schuld abgetragen. Ich glaube, sie halten Hartmut bis heute für einen Arbeiter. Gut, dass sie das Getöse von nebenan nicht hören. »Große Pommes Spezial!«, sage ich, und der Jugoslawe wiederholt mein Begehren in kantigem Gesang. Dann senken sich die Stäbchen ins Fett.
    Als ich mit meiner das Wohnzimmer wieder auf Tage geruchstechnisch verseuchenden Tüte auf unser Haus zugehe, traue ich meinen Ohren nicht. Hartmut muss bemerkt haben, dass ich die Wohnung verlassen hatte. Es läuft Donald Fagen. The Nightfly . Leise schleiche ich mich an, stecke den Schlüssel so unmerklich wie möglich ins Schloss, halte die Haustür beim Schließen fest und ziehe noch im Treppenhaus meine Schuhe aus, aber es nützt nichts. Hartmut hat mich bemerkt. Schnell hebt sich die Nadel von der Platte und es poltert wieder Stockhausen. Dass Hartmut so wichtig ist, was ich von ihm denke, macht mir Angst. Ich gehe ins Wohnzimmer, futtere Pommes und stelle Phil Collins laut.
    Am darauf folgenden Samstag kommt mir eine Idee. Früh um acht gehe ich ins Bad und lasse laut pfeifend die Wanne ein. Wenig später öffnet Hartmut leise quietschend die Tür und fragt mit verkniffenen Augen, was denn jetzt los wär. »Morgenwanne«, sage ich und lege meine Handtücher zurecht. »Lass dich nicht stören!«
    Hartmut schließt die Tür, werkelt ein bisschen in seinem Zimmer herum und macht zehn Minuten später wieder Musik an. Jetzt ist es Klassik, Dvorák, glaube ich. Er will den Tag nicht allzu krass beginnen. Vielleicht ahnt er, dass er lang wird.
    Als ich um elf Uhr immer noch nicht die Wanne verlassen habe, fragt er mich, ob mir klar sei, dass ich bereits seit drei Stunden im Wasser liege. »Vollkommen klar«, sage ich und kaue Erdnüsse. Er legt derweil die fünfte Platte auf. Mahler. Es wird komplizierter. Am späten Mittag hebt sich die Nadel von Miles Davis’ Bitches Brew , der wegweisenden Platte des Jazzrock, die konventioneller hörenden Gemütern allerdings den Weg in die Anstalt weisen kann. Hartmut tut so, als müsse er sich in der Küche etwas holen. In Wirklichkeit will er wissen, ob ich noch immer im Bad liege. »Soll ich den Hautarzt schon mal anrufen?«, fragt er. Ich lache nur. Am späten Nachmittag hat er sich durch barocke Musik und chaotischen Heavy Metal mit acht Taktwechseln pro Sekunde gekämpft. Auf die Idee, einfach gar nichts zu hören, kommt er nicht. Ich liege immer noch in der Wanne und nehme weiter unauffällig einen Wasseraustausch vor. Ich gebe zu, dass ich so viele Stunden Anspruchsmusik auf Dauer nicht ertragen könnte, aber ich habe mich darauf eingestellt. Mein Plan wird aufgehen.
    Er geht auf.
    Gegen sechs Uhr abends stürmt Hartmut aus seinem Zimmer, rammt seinen Arm zwischen meinen Beinen in das Badewasser und angelt nach dem Stopfen. »Jetzt hör endlich auf, ich kann diese Wichsmusik nicht mehr ertragen!!!«, schreit er und findet den Stopfen nicht, ich zappele und spritze wie jemand, dem man ein Frettchen ins Wasser geschmissen hat, wir kämpfen ein wenig, bis auch Hartmut völlig durchnässt ist, dann halten wir inne, und Hartmut sieht mich mit feuchtem Gesicht hilflos an. Ich warte eine Sekunde ab, weiß, dass ich ihn jetzt endlich habe, und sage: »Hartmut, mein lieber Hartmut, wenn du Donald Fagen hören willst oder Radio oder irgendetwas, das einfach nur schön und angenehm ist, dann darfst du das auch tun, wenn ich daheim bin. Ich werde es auch keinem verraten. Und ich verachte dich nicht deswegen. Ich weiß auch so, dass du dich besser auskennst als all die anderen Stümper da draußen.« Meine Worte sinken in Hartmut ein wie das Wasser in meine Haut, dann erhellt sich ganz langsam sein Gesicht. Er packt meinen Kopf, zieht ihn zu sich ran und gibt mir einen dicken Kuss auf die Stirn.
    Dann sagt er: »Komm aus dem Wasser raus«, geht in sein Zimmer und legt Donald Fagen auf. Sachtes Schlagzeug, Synthesizer, Piano, mehrstimmige »Ohhs« und »Ahhs« und Gitarren, die so behutsam gestreichelt werden wie die Barthärchen von Katzen. »Und mach auch schon mal die Playstation fertig, wenn du in dein Zimmer gehst!«, ruft Hartmut jetzt herüber. Ich grinse. »Was soll’s denn sein?«, frage ich.
    »Egal, irgendwas Leichtes«, sagt Hartmut und dreht die Platte lauter.

UNPERFEKT SEIN
    Hartmut hat einen Club gegründet. Er hat den Lagerraum komplett vom

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