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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Bundesliga an, was die hier an Geld abzocken und wieder zurück zu ihrer Sippe tragen. Da musst du wieder mit der Peitsche hinterstehen wie früher, anders hilft nix.«
    Der Hund kratzt sich an der Nase, der kleine Mann im Schlafanzug kratzt sich am Hinterkopf und schaut ein wenig verlegen in alle Richtungen, als wolle er sagen: »Die tun nix.«
    Hartmut steckt seinen Block ein, stupst mich an und sagt: »Lass uns abhauen.«
    »Aber dein Bericht. Willst du nicht?«
    »Lass uns abhauen!«, sagt er noch mal, und sein Blick wirkt so, wie ich ihn nur einmal in unserer Schulzeit sah, als ich ihn so provozierte, dass er mich am Kragen packte und einen Baum hochschob. So etwas ist ihm nie wieder passiert. Umso mehr hat es gewirkt. Ich stecke die Hände in die Hosentaschen und wippe hinter ihm her.
    Über die Woche hinweg hat Hartmut erstaunlich viel telefoniert. Er hat, wo er ging und stand, Notizen gemacht und wirkte wieder so, als brüte eine Idee in seinem Kopf. Es war mir nicht ganz ersichtlich, was mit ihm los war, und ich fragte auch nicht. Ich wettete weiter erfolglos auf die Bundesliga, las Elf Freunde beim Kacken und genoss die Spiele meiner Betriebsmannschaft, nach denen man über Arnold Schwarzenegger, Metallica, Wrestling oder Eminem sprach, nicht über Muselmanen und Bananen und Peitschen für Fußballneger. Am nächsten Sonntag bat mich Hartmut dann, für ein Mal seinen Job zu übernehmen, es sei ganz einfach, man müsse im Grunde nur Tore, gelbe und rote Karten, Torchancen und die jeweiligen Minutenzahlen notieren und dann den allgemeinen Charakter des Spieles drumherum stricken. Es sei wieder ein Heimspiel. Ich solle ihn anrufen, wenn was wäre, er hätte eine wichtige Verabredung, die er nicht absagen könne, ich erführe schon rechtzeitig, worum es sich handele. Ich machte mit ihm aus, dass ich für diesen Lokalsportbericht beim nächsten Trödelmarkt ein Playstation-Spiel im Wert von zehn Euro bekäme oder aber einen richtig guten Badeschaum, einen, den man sich aus Geiz nie als einzelne Flasche kauft, dann aber stattdessen vier Billigschäume in Mengen zusammenkippt. Er nickte, ich fuhr zum Spiel.
    Nun stehe ich also an der Bande und finde es recht angenehm. Hinter mir steht wieder die Männerclique, ich habe sie neulich sogar in der Stadt gesehen, auf einer dieser runden Bänke um die Bäume herum, alle, bis auf den kleinen Mann in den beigefarbenen Boots. Ich muss zugeben, dass es mir leichter fällt, ohne Hartmut hier zu sein. Es ist einfach schwer mit einem gewissenhaften Menschen an der Seite. Einem, den dumme Sprüche wirklich empören, einem, demgegenüber man ein Schuldgefühl allein bei dem Gedanken bekommt, dass irgendetwas Ungerechtes um uns herum geschieht und man dann nichts tut, und nur dadurch beruhigt werden kann, dass er auch nichts tut, außer zu gehen, wenn es ihm zu viel wird. Ich will nicht ständig etwas tun müssen. Menschen sind starrsinniger als Maschinen oder Computer. Die ändern ihre Einstellungen selbst dann manchmal, wenn man sie nicht umprogrammiert hat.
    Ich lehne mit den Armen auf dem kühlen Stahl der Bande und sehe das erste Tor, eine gelbe Karte, zwei gute Chancen und den Ausgleich. Ich notiere Namen und Zeiten und schreibe, dass es sich um ein gutes, ein technikbetontes Spiel handelt, kritzele mir auf, dass die einen mit hängender Spitze und die anderen vor allem über links außen spielen, umrande Nummern von Spielern, die mir besonders gut erscheinen. In meinem Kopf entsteht bereits der Artikel. Ich könnte Gefallen daran finden.
    Kaum dass der Halbzeitpfiff erklungen ist und die Spieler den Platz zur Pause verlassen wollen, kommt Hartmut um die Ecke gebogen und betritt ohne zu zögern den Platz, sodass es alle sehen können. Und was sie sehen, was auch ich gerade sehen muss, legt eine Stille über den Landesligaplatz, wie sie noch nie zu hören war. Kein Rufen mehr, kein Brüllen, kein Murmeln, kein Wind, nicht mal Kinder, die in der Halbzeit die Bälle in die Tore dreschen dürfen. Alles ist still. Denn Hartmut hat eine Kette in der Hand und führt einen jungen, schwarzen Mann vor sich her. Es ist Steven, Hartmuts Kommilitone, mit dem wir zu Free Jazz auf der Couch rumtanzen und der mir schon die Philosophien von Schopenhauer, Frank Zappa und Miles Davis erklärt hat. »Was guckt ihr so?«, brüllt Hartmut jetzt, schwingt eine alte Peitsche in der Hand und sieht dabei vor allem die Männerclique auf den Stufen an. »Ich habe hier einen günstigen Fußballneger zu

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