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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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eine Kaffeemaschine gurgelt, und ein alter Kühlschrank brummt vor sich hin. Die Vorhänge sind lange nicht mehr gewaschen worden. Wir bestellen zwei Alt.
    Die Männer von den Betonstufen sind schon da. Träge fläzen sie sich um einen Tisch in der Ecke und schauen zum Fernseher. Der mit den fiesen Augen hat den Ellbogen aufgestützt und hält eine Tasse Kaffee mit spitzen Fingern, vorsichtig schlürfend, weil sie so heiß ist. Der Hund liegt unter dem Tisch und döst. Er hat eine riesige Stupsnase. Sein Herrchen und der Zeugwart trinken Bier, der Gutmütige im Schlafanzug zerteilt ein Stückchen Kuchen mit der Gabel.
    »Mit Ahlen gibt das nichts mehr diese Saison, die steigen wieder ab«, sagt der Fetthaarige.
    »Das gleicht sich sowieso immer mehr an«, erwidert der Zeugwart. »Wenn du mal guckst, wie viele ehemalige Spieler aus der zweiten oder ersten Liga sich jetzt in der dritten, vierten, fünften Liga verdingen, da kriegst du zu viel.«
    »Ist nicht der Horst Steffen jetzt Trainer in Velbert?«
    »Ne, Schermbeck.«
    »Ach was, Herne!«
    »Irgendwas mit ›e‹.«
    »Der Uli Stein spielt jetzt in der Landesliga mit seinen über vierzig Lenzen, was?«
    »Der kann auch nicht genug kriegen. Früher fast in der Nationalmannschaft und jetzt … «
    »Aber das macht er gut, der Karl-Heinz war neulich mal beim Spiel da, mein lieber Scholli, die Alten haben es noch ganz schön drauf, hör mal!«
    »Die Alten können es sowieso alle noch«, sagt jetzt der Zeugwart, haut auf den Tisch und richtet sich auf. Seine Stimme klingt nach Ernte 23 und Korn. Er fährt fort: »Ich sag dir, du könntest aus all den ausgemusterten deutschen Exprofis eine Mannschaft formen, die sich sogar in der Bundesliga halten könnte, da wette ich mit dir! Es reicht nicht, wenn du nur lange rennen und zaubern kannst. Erfahrung, Leute, Erfahrung ist Gold wert!«
    »Genau«, nickt der Fetthaarige. »Das ist doch wie mit dem Arbeitsmarkt. Keine Chance mehr, wenn du über fünfzig bist. Stattdessen stellen sie die Computer-Inder ein oder die Grünschnäbel von der Uni.«
    »Was ich immer sag! Was ich immer sag!«
    »Es kann auch nicht angehen, dass Schalke zum Beispiel nur noch 30 Prozent Deutsche inne Mannschaft hat«, sagt das Hundeherrchen.
    »Ja, und nur noch zehn Prozent inne Innenstadt!«, sagt der Zeugwart röhrend, und alle beginnen zu lachen, auch der Wirt hinter der Theke und der Hund fallen mit ein. Selbst ich kann mir ein leises Gibbeln nicht verkneifen. Die Art, wie das rüberkam, hätte von Harald Schmidt sein können. Aber wir sind hier nicht bei Schmidt. Das wird mir bewusst, als ich in Hartmuts Gesicht sehe. Der studiert konzentriert eine Tabelle an der Wand und versucht, die Torverhältnisse in Primzahlen zu übersetzen.
    Am nächsten Sonntag sind wir bei einem Auswärtsspiel. Die Partie vom letzten Mal ging 2:0 für die Gastmannschaft aus, Hartmut hatte sich mit den Notizen in der zweiten Halbzeit zurückgehalten und die ganze Woche hindurch ein wenig härtere Musik gehört als sonst. Das Stadion von heute haben wir schwer gefunden, wir sind mit unseren Rädern durch Wälder gekurvt, die an Autobahnpfeilern enden, und haben Teiche entdeckt, wo man Müllhalden erwartet. Irgendwann hatten wir es erreicht und stehen jetzt an der Bande, sehen ein besseres, schnelleres, trickreicheres Spiel als beim letzten Mal und halten beide die Luft an, als wir plötzlich in unserem Rücken wieder das feuchte Kratzen der altbekannten Stimmen hören. Ich sehe mich langsam um und erkenne die Hundenase, die beigefarbenen Schuhe, das fettige Haar über dem Kragen und den Trainingsanzug, der zerfurchte Haut bedeckt. Ich tue so, als würde ich alles und jeden dulden, und Hartmut hat seine Flachatmung eingeschaltet und starrt wieder geradeaus auf den Platz. Nach fünf Minuten geht es wieder los.
    »Weißt du, wer jetzt auch in der Landesliga spielt?«
    »Ne!«
    »Der Salou. Den haben sie sich aus der Oberliga geholt.«
    »Der Schwatte von Düsseldorf damals?«
    »Ja!«
    »Was sie dem wohl bieten, dass der jetzt als Amateur spielt?«
    »Die geben dem wahrscheinlich auch noch richtig Geld!«
    »Ach was, der hat sich da so ein Zelt gebaut oder wie heißt das, wo die da im Dschungel drin wohnen, so die Hütten!?«
    »Ein Tipi!«
    Gelächter.
    »Ja, und dann kriegt der immer genug Bananen, und dann ist der ruhig!«
    Gegröle.
    »Die musst du wieder an die Kette nehmen, sonst werden die völlig größenwahnsinnig! Guck dir doch die ganzen Buschmänner in der

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