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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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an den Küchentisch setzen und du mich ein bisschen ausfragst, wie es gestern mit Laura war.«
    »Laura?«, sage ich giftig. »Deine ›Perle‹?«
    Hartmut rollt mit den Augen. »Ja, willst du denn gar nicht wissen, ob wir … Mensch, komm«, sagt er und fasst mich am Arm, »jetzt lass uns doch ein wenig quatschen über letzte Nacht, sonst … «
    »Was sonst?«, frage ich.
    »Sonst sind die 1000 Euro pro Tag weg, verdammt! Und die Serie auch!«, schnauzt jetzt der Hornbrillenmann. »Man muss hier doch mal Klartext reden. Kein Kiddie da draußen will einen Slacker mit 350 Videospielen im Regal am Sonntag um elf Uhr morgens die Küche wischen sehen, verdammte Scheiße noch mal! Und machen Sie Chris Rea aus, das kann Ihr Vater hören!!!« Dann geht er zum Radio und dreht den Ton weg. Ich schmeiße den Wischmopp auf den Boden und lege los: »Ja, seid ihr denn alle vollkommen verrückt geworden!!??«, keife ich. »Ihr habt sie ja wohl nicht mehr alle!« Dann trete ich den Eimer um, das Wasser ergießt sich in die Küche, und die Männer weichen erfolglos aus. Ihre Schuhe schmatzen jetzt im Wasserblumenduft. Ich werfe einen enttäuschten und befremdeten Blick in die Runde, renne raus und fahre bis zum späten Abend Fahrrad.
    Als ich heimkomme, ist alles still, und die Kameras scheinen alle bei Hartmut im Zimmer zu sein. Die Schicht müsste mittlerweile gewechselt haben. Im Wohnzimmer döst Yannick auf der Couch. Ich stelle den Fernseher an und sehe einen alten Film mit Paul Newman. Gegen Mitternacht raschelt es in der Küche, und Hartmut schiebt schüchtern den Perlenschnurvorhang zur Seite. »Kann ich dich sprechen?«, sagt er. Ich starre auf den Bildschirm und nicke. Er kommt rein und geht langsam auf dem dicken Teppich hin und her. Dann räuspert er sich und sagt: »Du und ich, wir sind jetzt fertig.« Ich bekomme einen Schreck und spüre, wie mein Herz zu rasen beginnt. Mein Gesicht wird heiß, doch ich versuche mir, nichts anmerken zu lassen. »Was soll das heißen, wir sind fertig?«, frage ich. »Na ja«, sagt er, und plötzlich grinst er ein breites, erlösendes Grinsen: »Just in diesem Moment, um Mitternacht, geht das Experiment ›Doku-Soap‹ zu Ende. Wir wurden wirklich die ganze Zeit gefilmt. Aber nicht von den großen Kameras!« Ich stelle den Ton des Fernsehers ab und sehe auf. Mein Hirn versucht zu verstehen, was Hartmut gerade gesagt hat. Sämtliche Kameramänner betreten den Raum, auch die, die eigentlich jetzt keine Nachtschicht hätten. Der Hornbrillenmann, der Rastamann, der Winzige, das Basketball-Shirt, alle … »Darf ich vorstellen. Kommilitonen aus dem Fachbereich Medienwissenschaften!«, sagt Hartmut jetzt. »Sie wollten einmal sehen, was passiert, wenn man seinen Mitbewohner plötzlich mit der Verwandlung der eigenen Wohnung in eine Big-Brother-Show überrascht. Die großen Kameras waren dabei nie an. Nur die kleinen«, sagt Hartmut jetzt und deutet verschmitzt an die Zimmerdecke. Ich folge seinem Blick und sehe eine winzige Kamera in der rechten oberen Ecke des Raumes. Dort, wo man nie hinsieht, weil man da nun wirklich nicht Staub putzt. Die Filmstudenten grinsen. Der Hornbrillenmann sagt: »Wir haben dich dabei gefilmt, wie du glaubtest, gefilmt zu werden.«
    »Willst du es mal sehen?«, fragt Hartmut jetzt und hält bereits ein Video in der Hand, das er in den Recorder schiebt. Hartmut und ich sind darauf zu sehen, hier, vor dem Sessel, am Montagmorgen letzter Woche. »Die wollen Reality-TV, die wollen Authentizität, die wollen dich, uns, unseren Alltag. Mensch, jetzt versau das doch nicht!«, sagt Hartmut auf dem Video, und ich antworte patzig: » Ich habe dich nicht gebeten, diese Fraggles hier ins Haus zu holen.« Der Hornbrillenmann lacht: »Fraggles … «, sagt er und schüttelt begeistert den Kopf. Hartmut spult ein Stück vor. Da bin ich, wie ich mit dem Hornbrillenmann über mein Gemüse diskutiere. Ich, wie ich auf der Fete zu dem Aufkleber über der Spüle gehe und sage, dass ich nicht an diesen Menschenhasser-Scheiß glaube. »Das war eine besonders starke Szene«, sagt der Rastamann, und alle nicken. Da bin ich, wie ich das Haus verlasse und vor der Fete flüchte, ich, wie ich den Leuten das Putzwasser über die Schuhe kippe. »Wir haben dich wirklich zum Ausrasten gekriegt«, sagt der Kameramann, der mich scheinbar als Erster gefilmt hat am letzten Montag, wo ich in Wirklichkeit von einem Dutzend winziger Kameras gefilmt worden bin, um zu testen, wie ich auf dies alles

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