Hartmut und ich: Roman
Batteriebetrieb zu verschließen sind, und Batterien, für deren Inbetriebnahme man kleinere Batterien braucht, die man in ein Fach in den größeren Batterien einschiebt. Vor einem Haus, in dessen Vorgarten ein Drei-mal-drei-Meter-Weihnachtsmann aufgepumpt ist, in den wie in eine Hüpfburg ständig Luft einströmt, werden weitere Lichterketten und Leuchtkränze verkauft. Die Kartons sehen billiger aus als die Waren bei Urban, die Kabel sind so dünn wie Nähgarn, die Stecker sind nicht mal rund, sondern flach, wie für amerikanische Steckdosen, wenn mich nicht alles täuscht. Sie sehen nach Brand aus und Ruß und Verderben. Während Hartmut kräftig notiert, kommen zwei Männer die Straße hinab, zeigen ihre Ausweise, prüfen den Stand und verkünden, dass es sich um illegalen Schund aus China handelt, bei dem leitende Teile freiliegen. Sie sagen der Verkäuferin, dass sie die Ware konfiszieren müssen. Die sagt immer »Ja, danke« und »Ja, bitte« in gebrochenem Deutsch und grinst kuhäugig. Als die Männer anfangen, ihr die Kartons wegzutragen, tut sie so, als ob sie’s gar nicht stört. Ich schäme mich irgendwie, ich weiß nicht genau, für wen. Dann beginnen die Männer mit der Inspektion der Häuser. Als sie dem ersten Anwohner die Lichterkette wegnehmen wollen, schlägt der mit einem Spanbrettholz nach ihnen. Sie rufen Verstärkung. Im Haus gegenüber ballert plötzlich die Weihnachtsplatte von Wolle Petry aus den Fenstern, Menschen mit Glühweinbechern in der Hand fangen an, auf dem Bürgersteig zu tanzen, während Wolle in genau demselben Tonfall die heilige Nacht verkündet, in welchem er auch erzählt, dass seine Olle ihn in die Hölle geschickt hat. Frank und Pia schütteln den Kopf und knöpfen ihre Mäntel auf, damit man ihre T-Shirts von Deine Lakaien und Paradise Lost besser sehen kann. Hartmut schreibt und schreibt. Ich erahne viel Arbeit.
Einen Sonntag später sind die Vorbereitungen abgeschlossen. Der dritte Advent steht auf dem Plan, und während sich Hartmut, Frank und Pia um das Technische gekümmert haben, habe ich die Pressemitteilungen herausgesendet und mit Fernsehsendern telefoniert. Ich habe dabei aus meinen Bullaugen den ersten Schnee gesehen, bin sogar einmal aufgestanden, um zu sehen, wie sich die Straße langsam weiß färbt, und hätte fast den Redakteur von Kabel1 verpasst, der mittlerweile an den Hörer gekommen war und lauthals »Hallo?« rief. Die Nachbarschaft ist immer noch voll geparkt, die Wattzahl im Rahmen des überhaupt noch Möglichen maximiert worden. Die Katze sitzt schon lang nicht mehr gegenüber im Fenster, es ist ihr zu grell von draußen. Ihr Frauchen hat den kleinen Bogen abgeschaltet und von der Bank genommen, ihre Rollos sind unten. Ich glaube sogar, ich hätte sie neulich morgens wegfahren hören, mit Kofferrollen auf dem Kopfsteinpflaster und irgendwas von wegen »wärmerer Gefilde«. Yannick sitzt auf meinem Bett und macht mir Vorwürfe, weil er durch kein Fenster mehr sehen kann. Ab 20 Uhr hat sich das Fernsehen angemeldet, ich zweifle immer noch daran, dass Hartmuts Plan funktioniert. Er und die anderen haben immer vormittags gearbeitet, als Kirsten aus dem ersten Stock bei der Arbeit war, sie waren leise, selbst Hans-Dieter hinten ahnte nichts.
Jetzt biegen die ersten Kleinbusse um die Ecke, und junge Männer mit kurzen Haaren und exakt beschnittenen Kinnbärtchen steigen aus. Das Fernsehen ist da. Wir öffnen die Tür, und die Männer erklären uns, dass wir Publikum brauchen. Ich sage, dass ich das besorge und sie schon mal aufbauen sollen, und laufe runter zur inoffiziellen Jahrmarktsmeile bei den Bergbauhäusern. Hier ist es immer lauter geworden, zu Wolle Petry ertönen jetzt auch Grönemeyer, André Rieu und die Weihnachtsplatte der Toten Hosen aus den Häusern, die Frau mit den illegalen Beleuchtungsketten ist wieder da, alle Angezeigten haben ihre Lichter wieder aufgehängt, Mandeln und Glühwein kleben und fließen, einer hat seine Beleuchtung mit akustischen Sensoren so eingestellt, dass sie im Rhythmus der Musik zu flimmern beginnt. Es gibt keine Maulwurfshügel mehr um die Bäume herum. Der Apfelbaum verliert zwei Äste. Ich gehe herum und streue das Gerücht, dass mehrere Fernsehteams bloß eine Straße weiter wären und ob sie die etwa wieder weglassen wollten, ohne dass diese Straße gefilmt worden sei? Die stille Post wirkt, die diffuse Masse wird langsam brummend vereint, und schließlich verkündet einer über das Mikrofon an seinem
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