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Hartmut und ich: Roman

Hartmut und ich: Roman

Titel: Hartmut und ich: Roman Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Oliver Uschmann
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Sinn der Jobsuche darin bestünde, Geld zu verdienen , stieg Hartmut kurzerhand als Praktikant bei einer Werbeagentur ein, die er zwei Wochen später mit Flüchen verließ, die zu wiederholen ich nicht imstande bin.
    Nach einer halben Stunde ließ Hartmut sich beruhigen und las weiter aus der Akte vor, bis Yannick und ich im Wohnzimmer eingeschlafen waren, da der Weg ins Bett ohnehin zu kalt gewesen wäre.
     
    Als ich am nächsten Tag von der Arbeit komme, sehe ich Hartmut, wie er vor dem Waschbecken hockt und fasziniert den Kopf schüttelt.
    »Sieh dir das an«, sagt er in einer Mischung aus Empörung und komischem Stolz und gibt den Blick frei. Unter der Spüle steht eine leere Raviolidose, die letzte Ravioli klebt neckisch am Rand und hinter ihr stürzen schwarzgrün schimmernde Schimmelkaskaden in den Blechschlund herab, schwammig, korallenartig und mit einem beißenden Geruch gesegnet. Die eingetrockneten Soßenreste bilden einen schwulstigen, orangen Rand, auf dem schwarze Punkte herumspringen, die einen derart ätzenden Gestank absondern, dass ich spüre, wie meine Hirnrinde sich zu lösen beginnt und ich die ersten Namen von Playstation-Spielen und Örtlichkeiten vergesse.
    »Heiliger Bimbam«, sagt Hartmut. »Wie kommt so was unter die Spüle?« Ich zucke mit den Schultern. Ich habe wirklich keine Ahnung, wie so was unter die Spüle kommen kann. Überhaupt habe ich keine Ahnung, was mit uns zur Zeit passiert. Ich hätte nicht geglaubt, was Geldnot ausmacht. Ich friere.
    »Dieses kleine freche Ding, du … «, murmelt Hartmut und hockt weiter stoisch in den tödlichen Gerüchen. »Haben wir einfach mal dort stehen lassen, als wir in Eile waren. Unter der Spüle … weißt du, was das heißt?« Er dreht sich zu mir um. »Wir müssen so abwesend gewesen sein, dass wir die Spüle mit dem Kühlschrank verwechselt haben.«
    »Oder mit dem Mülleimer.«
    »Ist das nicht Wahnsinn? Wir werden nur abgelenkt, nur abgelenkt … und das ist das Ergebnis dieser Hektik … «
    Hartmut sinkt wieder ein Stück tiefer zur Dose und streichelt sogar ihren Rand.
    »Irgendwie faszinierend, oder nicht?« sagt er.
    »Hartmut, mach die Tür wieder zu, das Ding stinkt wie ein Fanal.«
    » … und es einfach drin stehen lassen, oder was?«
    »Das kann ruhig noch ein bisschen ziehen«, sage ich, woraufhin mich Hartmut einen Moment ansieht und wir beide einen Lachkrampf kriegen, über den Hartmut tatsächlich die Schranktür schließt, als gäbe es keine Kammer mit der Höllendose.
    Ich gehe ins Wohnzimmer, schäle mich langsam und mit großem Kraftaufwand in die schweren Planen auf der Couch ein und schlafe, weil man in der vereisten Wohnung wenig anderes tun kann.
    Mein Schlaf währt nicht lange.
    Als ich die Augen aufschlage, sehe ich einen debilen Mann vor mir, der mit einer Küchenrolle ein paar Hundert-Euro-Scheine auswalzt. Der Mann ist auf ein großes Bushaltestellenplakat der Bild-Zeitung gedruckt, das vor mir schwer knistert und hinter dem Hartmuts Stimme zu hören ist: »Sieh dir das an!« Ich sehe es an und stelle mir Fragen. Ich friere. Ich lese die aufdringlichen schwarzen Lettern auf rotem Grund: »Werden Sie der Money Maker!«
    »Was ist das?« murmele ich und Eiskristalle fallen mir aus dem Mund.
    »Unser Ticket zu Heizung und Warmwasser!«, sagt Hartmut, der plötzlich hinter dem Plakat auftaucht. »Fünf Leute bekommen 1000 € von der Bild-Zeitung. Wer sie in einer Woche am meisten vermehrt, gewinnt das Fünffache.« Hartmut strahlt.
    »Hast du extra den Glaskasten an der Bushaltestelle aufgebrochen, um an das Plakat zu kommen?«, frage ich.
    Hartmut nickt: »Je weniger Leute es sehen, desto weniger Konkurrenten.«
    Ich schäle mich aus der Zeltplane. Es knirscht wie bei arktischen Platten. Meine Haare bringen es fertig, bei 4 Millimetern Länge zerzaust zu sein. Ich habe Rückenschmerzen.
    »Und was sagen wir der Bild, mit welcher tollen Strategie wir antreten?«, frage ich.
    Hartmut sieht mich leer an.
    Stiert in die Luft.
    Lässt die Schultern sinken.
    Dann das Plakat.
    Dann sich.
    »Ich weiß es nicht … «
    Yannick kommt durch den Perlenschnurvorhang, springt auf meinen Bauch, stübert meine Nase und legt sich mit seinem warmen Bauch auf meine Brust.
    Als Hartmut plötzlich laut »Ich weiß es doch!« schreit, fährt der kleine Kater vor Schreck seine Krallen aus und bohrt achtzehn präzise kleine Löcher in meinen Brustkorb.
    »Das ist es! Die Dose!«, ruft er, rennt zur Spüle, öffnet die Höllenkammer,

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