Haschisch - Konsum, Wirkung, Abhängigkeit, Selbsthilfe, Therapie
Rückkehr in ein Leben, in dessen Verlauf er die ihm und seiner Frau geraubten »besten Jahre« nie zu verschmerzen wusste. Durch eine latente Infizierung mit nazistischem Gedankengut goss er insbesondere in die Beziehung zu seinem erstgeborenen Stammhalter viel NS-vergiftete Seelennahrung hinein. Seine Frau, die still unter dem Verlust ihrer drei Brüder im Krieg litt, sagte wörtlich: »Während des Krieges war mein Mann kein Nazi, aber heute hat er viel von einem Nazi an sich.« Das dunkelste Kapitel der deutschen Geschichte fand seine unglückselige Fortsetzung in die nachfolgende Generation hinein. Den eigenen Willen und die vor Kraft strotzende Lebendigkeit seines Sohnes konnte der Vater von Geburt an nicht ertragen. Dessen Drang zur Selbstbehauptung wurde systematisch unterbunden. Der Vater konnte neben sich keinen lebendigen, eigenwilligen Sohn dulden; und schon gar keinen Sohn, der größer würde als er und ihn im Leben überträfe. Der Vater war auch körperlich eher klein geraten, und klein hielt er seinen Sohn. Da jener sich nicht kampflos zu ergeben gedachte, kam es während der Pubertät zu einem regelrechten Stellungskrieg mit dem Vater. Unzählige Male bekam er aus dessen Mund zu hören: »Du bist nichts, hast nichts, kannst nichts. Aus dir wird nie etwas werden. Du bist viel zu weibisch. Du wirst noch an mich denken.« Während der schlimmsten Szenen wollte der Vater seinen Sohn mit einem Stuhlbein »zum Tempel hinausjagen«. Dem Vater taten seine aggressiven Durchbrüche jedes Mal leid, denn im Grunde bemühte er sich redlich, seiner Familie ein anständiges Leben zu ermöglichen. Die hässlichen Szenen wiederholten sich jedoch über Jahre hinweg und hinterließen tiefe Spuren. Der Sohn hielt mit den falschen Mitteln dagegen. Er begann, Alkohol zu trinken und als erste illegale Droge Haschisch zu konsumieren. Es folgten die Halluzinogene Meskalin und LSD. Obgleich der Sohn frühzeitig große räumliche Distanz zwischen sich und seinen Vater legte, vermochte er sich nicht von seinem Vater zu lösen. Er durfte nicht erfolgreich sein, den inneren Vater nicht überwinden. Sein Medizinstudium abzuschließen hätte bedeutet, erfolgreicher und größer zu werden als der Vater. Doch die vernichtenden Urteile seines Vaters wurden zum tief verinnerlichten Lebensskript, dem der Sohn traurigerweise »gehorsam bis zum Tod« folgte. Durch nichts und niemanden zu bremsen, trieb er seine Selbstzerstörung unaufhaltsam voran. In der Nacht zu seinem 50. Geburtstag erlag er einsam seinen Dämonen wie seiner Sucht.
Untergründige familiäre wie gesellschaftliche Spätfolgen von Holocaust und Nationalsozialismus sind nicht nur in der unmittelbaren Nachkriegsgeneration zu entdecken. Selbst Nachgeborene der zweiten oder dritten Generation vermögen unter Umständen Symptome aufzuweisen, deren tiefere Ursachen sich erst im vollen Ausmaß erschließen, wenn man die Geschichte einer Familie unter der Mehrgenerationenperspektive betrachtet. Ein schädliches Symptom unter vielen möglichen ist der Drogen- und Suchtmittelgebrauch der Nachgeborenen. Die Zeichen zu deuten vermag jedoch nur, wer gezielt danach forscht. Ansonsten bleiben sie weiterhin unter dicken Schichten und hinter den Mauern des »Beschweigens« der Verdrängung anheimgegeben.
Beschwiegenes, Verdrängtes und Traumatisches finden wir auch bei zahlreichen Cannabis und weitere Suchtstoffe gebrauchenden Kindern von Migrantenfamilien aus aller Herren Länder, welche Krieg, Vertreibung, Misshandlung, Folter, Vergewaltigung, Verstümmelung und andere von Menschen zugefügte Grausamkeiten erlitten haben. Trauma, Drogen und Sucht gehen in vielen Fällen Hand in Hand und bedürfen fachkundiger Behandlung.
Die zweite und dritte Generation,
oder: Ich kenne es doch
gar nicht anders …
Ein anderes Mehrgenerationengeschehen offenbart sich in einer neuen Generation Cannabis gebrauchender Jungen und Mädchen. Es handelt sich um die Kinder von Müttern und Vätern, die ihrerseits bereits einen Umgang mit der Droge pflegten. Diese »zweite Generation« ist inzwischen in sämtlichen Drogen- und Suchtberatungsstellen der Republik angekommen.
Darunter sind Jungen und Mädchen, deren Eltern zwar selbst Cannabis konsumiert haben, es aufgrund ihrer Erfahrungen aber unter allen Umständen zu vermeiden suchten, dass ihre Kinder gleichfalls die Bekanntschaft der Droge machen. Es ist immer aufs Neue verblüffend, wie irrational ängstlich manche Mütter und Väter mit einer eigenen
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