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Hasenherz

Hasenherz

Titel: Hasenherz Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: John Updike
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geschlosse nen Augen, steigt heraus aus dem Wasser, nimmt das Handtuch, er sieht an ihren Beinen hinauf, zu den dunklen Haaren zwischen ihren Beinen, und dann ihr Gesicht, groß und gelb und still liegt es neben ihm: tot. Nein. Tothero und Ruth muß er wegwischen aus seinem Gedächtnis, beide erinnern ihn an den Tod. Auf der einen Seite dies tödliche Vakuum, auf der andern die immer näherrückende Drohung von Janices Rückkehr: daher kommt das kippende Gefühl. Er liegt hier zwar allein, aber er ist umdrängt von all diesen Menschen, er fühlt sich in die Enge getrieben von ihnen, nicht so sehr von ihren Gesichtern oder von dem, was sie sprechen, sondern von ihrer stummen, intensi ven Gegenwart, sie ragen im Dunkel um ihn wie Felsen im Wasser, und unter allem, wie ein fernes hohes Summen, das Augenblinzeln von Eccles Frau. Dieses Blinzeln. Was hat es bedeutet? Einfach ein kleiner Scherz vielleicht im unentschlossenen Hin und Her an der Tür? Sollte es sich auf das Kind beziehen, das in Schlupfhöschen die Treppe herun tergekommen war? Hat sie wahrgenommen, daß er ihre Zehennägel betrachtete? Sollte die Bewegung des Lids nur ausdrücken: Viel Glück auf Ihrem Weg, oder muß man sie als schmalen Spalt in einem dunklen Raum verstehen, durch den Licht einfällt und der sagt: Komm herein? Komisches, gerissenes, sommersprossiges kleines Biest, er hätte sie sich vornehmen sollen, dies stetige hohe Summen verfolgt ihn, seit er weiß, daß sie wollte, daß er sie sich nähme, der durchschimmernde Büsten halter, die spitzen Hügel, ein Zimmer voller Licht, sie streift die Shorts runter über die kinderhäutigen Schenkel, strammes Fleisch, zwei Halb kugeln, die weiß im Licht hängen, Freud im weißgetünchten Wohn zimmer, lauter Aquarelle von Kanälen, komm her, du primitiver Vater, Kanäle auf dem Sofa, sie sitzt auf dem Sofa, spreizt sich auseinander, zwei weiße Torflügel springen auf, was für eine hübsche Brust du hast, und hier und hier und hier. Er rollt sich herum, und das trockene Laken ist die Berührung ihrer gierigen Hände, er steigt steil auf aus schlaffem, weichem Samt, wird hart, und die dicke Ader strafft sich, und er tut, was er tun muß, mit fester, kundiger Hand, um das hohe Summen zum Schweigen zu bringen und sich gelöster zu machen für die Nacht. Der süße Saft bei Frauen. Jetzt hat er sie. Er dringt durch den Diamanten, der ihm auf dem Kopf steht, und kommt naß auf der andern Seite wieder raus. Wie idiotisch. Er bereut es. Komisch, wo es naß geworden ist, nicht im entferntesten da, wo man's erwarten würde: an der Zudecke und nicht am Laken. Er legt sein Gesicht auf eine kühle Stelle des Kopfkissens. Er kippt jetzt nicht mehr so sehr, seit er mit Lucy fertig ist. Ihre weißen Konturen spulen sich in die Ferne wie eine entrollte Leine. Er muß schlafen jetzt; der Gedanke an die Küste, die immer näher rückt, ballt einen störrischen Klumpen zusammen in seinem sanften Fließen. Er muß an angenehme Dinge denken. Wenn er sein Leben überblickt, hebt sich ihm nur ein einziger Platz heraus, auf dem er stehen kann, ohne daß menschliche Gesichter aus dem Boden wach sen und er auf ihnen herumtritt: der Parkplatz vor der Raststätte in West Virginia, nachdem er drinnen eine Tasse Kaffee getrunken hat – damals in der Nacht, als er südwärts gefahren ist. Er denkt an die Berge rings, die wie Papierausschnitte gegen den mondbleichen blauen Nachthimmel standen. Er denkt an die Raststätte, an die goldgefaßten Fenster, die wie die Fenster der Straßenbahnwagen waren, die zwischen Mt. Judge und Brewer verkehrten, als er ein Kind war, und er denkt an die Luft, sie war kalt, aber mild im ersten Ansturm des Frühlings. Er hört die Schritte, die hinter ihm über den Asphalt sich nähern, und er sieht die beiden, die auf das Auto zulaufen, mit verschlungenen Hän den. Eines von den rothaarigen Mädchen, die im Lokal saßen. Haar, das herabhing wie Seegras. Und hier, an diesem Punkt, geht ihm auf, daß es ein Fehler war, umzukehren, daß er den beiden hätte folgen sollen, und in seinem sich zerfasernden, schläfrigen Zustand ist ihm, als sei er ihnen gefolgt, als folge er ihnen noch immer – wie ein Ton in der Musik, der, solange er gehalten wird, zu wandern scheint, obwohl er doch immer an derselben Stelle verharrt. Und dieser Ton trägt ihn in den Schlaf.
    Aber vor Sonnenaufgang noch erwacht er, und das kippende Gefühl ist wieder da, und er hat Angst in dem großen leeren Bett, Angst, daß Nelson

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