Hasenherz
ist erschöpft, wenn wir der Natur ihren Tribut zollen: wenn wir ihr Kinder übergeben. Dann ist sie fertig mit uns, und aus uns wird, erst innerlich, dann auch äußerlich, wertloser Plunder. Welke Blumenstengel.
Sie besuchen Mom-Mom Springer. Das Kind ist entzückt. Es liebt sie, und daher empfindet auch Rabbit Sympathie für sie. Sie versucht zwar, einen Streit mit ihm vom Zaun zu brechen, aber er weigert sich, darauf einzugehen, er nimmt einfach alles hin. Er sei ein Schuft gewe sen, ein Betrüger, er habe sich abscheulich benommen, er könne von Glück sagen, daß er nicht im Gefängnis sitze. Aber im Grunde liegt keine richtige Schärfe in ihrem Ausfall. Erstens ist Nelson zugegen, und zweitens ist sie froh, daß er wieder da ist, und hat viel zuviel Angst, ihn rauszuekeln. Und zum dritten können die Schwiegereltern einem doch nicht so viel anhaben wie die eigenen Eltern. Sie bleiben immer drau ßen, wie heftig sie auch anklopfen mögen, und sie haben etwas Gemüt liches, ja sogar Komisches. Sie sitzen auf der verglasten Sonnenveranda, er und die alte Dame, und trinken geeisten Tee. Ihre bandagierten Beine liegen auf einem Schemel, und ihr leises Stöhnen, wenn sie ihr Gewicht verlagert, bringt ihm zum Lächeln. Ihm ist, als sei er bei einer törichten kleinen Freundin zu Besuch. Nelson und Billy Fosnacht halten sich im Haus auf und spielen friedlich miteinander. Zu friedlich. Mrs. Springer würde gern nachsehen, was los ist, aber sie mag ihre Beine nicht bewegen. Aus diesem Konflikt heraus fängt sie an, sich umständlich darüber zu beklagen, was für ein ungehobeltes Kind der kleine Billy Fosnacht sei, und von ihm geht sie zu seiner Mutter über. Sie mag diese Person nicht, sie traut ihr nicht um die Ecke. Nicht wegen der Sonnenbrille, die hält sie einfach für lächerliche Angeberei. Nein, wegen ihrer ganzen kriecherischen Art, wegen der Art, wie sie um Janice herumge schnurrt ist, bloß, weil bei der schicke Neuigkeiten zu erfahren waren. «Sie ist so oft hergekommen, daß ich mehr mit Nelson zu schaffen hatte als Janice selber, jeden Tag sind die beiden ins Kino gegangen, wie Schulmädchen, die von Mutterpflichten nichts wissen.» Rabbit weiß nun von Schulzeiten her, daß Peggy Fosnacht, damals Peggy Gring, eine Sonnenbrille trägt, weil sie glasäugig ist, auf groteske, erniedrigen de Art. Und Eccles hat ihm gesagt, daß ihre Gesellschaft ein großer Trost für Janice gewesen sei in dieser schrecklichen Zeit, die jetzt vorüber ist. Aber er erhebt keinen dieser Einwände, er hört nur zufrie den zu und freut sich, hier mit Mrs. Springer beisammen zu sein, dem Menschen, der mit ihm gegen die Welt steht. Die Eiswürfel im Tee schmelzen und machen den Trank noch milder; das Geschwätz der Schwiegermutter plätschert gegen Rabbits Ohren wie das strudelnde Rauschen eines Baches. Sacht wird er eingelullt, und seine Lider senken sich, und ein Lächeln breitet sich über sein Gesicht. Er schläft schlecht des Nachts, so allein, und nickt nun ein, mitten im grün sich dehnenden Tag, träge und wonnevoll, endlich geborgen auf der richtigen Seite.
Bei seinen Eltern ergeht es ihm anders. Er besucht sie einmal mit Nelson. Seine Mutter ist verärgert wegen irgend etwas; ihr Ärger steigt ihm in die Nase, kaum daß er über die Schwelle getreten ist; wie ein Staubüberzug liegt ihre schlechte Stimmung über allem. Das Haus wirkt schäbig und eng nach dem der Springers. Was setzt ihr so zu? Er nimmt an, daß sie immer auf seiner Seite gestanden hat, und erzählt ihr in raschem, vertrauensvollem Ton, wie phantastisch sich die Springers benommen hätten, daß Mrs. Springer wirklich sehr warmherzig sei und ihm anscheinend alles verziehen habe, daß Mr. Springer die ganze Zeit über die Miete für die Wohnung gezahlt habe und ihm jetzt eine Stellung anbiete: er solle Autos verkaufen in einer seiner Filialen. Er besitzt vier Filialen in Brewer und Umgebung. Rabbit hat gar nicht gewußt, daß er ein so florierendes Unternehmen betreibt. Er scheint ein ziemlicher Gauner zu sein, aber wenigstens ein erfolgreicher. Und er findet, er, Harry Angstrom, sei ganz schön ungerupft davongekom men. Die hartgeschwungene Nase seiner Mutter und ihre beschlagenen Brillengläser glänzen bitter. Ihre Mißbilligung trifft ihn jedesmal, wenn sie sich vom Spülbecken wegdreht. Zuerst denkt er, sie verüble es ihm, daß er nie in enger Beziehung zu ihr gestanden hat; wenn's sich so verhält, sollte sie ihm jetzt entgegenkommen, anstatt noch
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