Hass
Unterhaltung schon einmal geführt hatten.«
»Déjà-vu?«
»Ja. Als ich klein war, habe ich mir nie Gedanken darüber gemacht. Es war einfach so. Manchmal ist es mir auch mit Freunden so gegangen. Ich wusste immer schon, was jemand sagen würde.«
»Also hat Ihr Ratgeber … geschlafen, bis Sie gekommen sind?«
Bevlin zuckte die Achseln und erhob sich elegant. »Er existierte eher einfach, vielleicht ohne das volle Bewusstsein, wer er war oder was er zu tun bestimmt war.«
Julia warf Bevlin eine Flasche Wasser zu. Er fing sie auf und trank sie in einem Zug leer.
»Dabei würde ich auch Durst kriegen«, sagte Julia zu Cheney.
Bevlin warf die leere Plastikflasche in hohem Bogen zum Papierkorb in der Ecke. Sie prallte an der Wand ab, traf das Ziel, hüpfte nochmal hoch und blieb dann liegen.
Cheney sagte: »Also Sie haben keine Idee, wer Dr. Ransom umgebracht haben könnte?«
»Ich habe ihn natürlich gefragt, als er mich vor Ihnen gewarnt hat. Weder er noch einer meiner Ratgeber scheint etwas zu wissen. Oder sie wollen es mir nicht sagen. Vielleicht geht es mich auch nichts an, oder sie denken, ich würde damit nicht klarkommen. August hat den Mörder nicht gesehen, das hat er mir und Wallace gesagt.« Bevlin schauderte. »Es ging alles sehr schnell, aber er hatte trotzdem Angst, weil er wusste, dass er sterben würde und nichts dagegen machen konnte. Er sagt, er hat kaum Schmerz verspürt, was vermutlich ein Segen war, dank des Kokains.«
Julia sagte: »Ich wusste nicht, dass August Kokain nahm, bis die Polizei einen Vorrat in seinem Schreibtisch fand und der Rechtsmediziner Spuren in seinem Blut entdeckte. Ich habe mir immer eingebildet, ich könnte erkennen, wenn jemand high ist, aber er hat es sehr gut vor mir versteckt.«
»Seine engsten Freunde wussten es alle«, sagte Bevlin. »Es kam mir nie in den Sinn, es dir gegenüber zu erwähnen. Jedenfalls sagte er, dass er einfach losließ und sich dann auf der anderen Seite wiederfand. Ihm wurde klar, dass seine Knie nie wieder schmerzen würden, und das gefiel ihm.«
Cheney fragte: »Wieso machen Ihre Ratgeber Sie eigentlich nicht steinreich?«
Bevlin kratzte sich unter der Achsel. »Die Ratgeber wissen auch nicht alles. Als ich jünger war, habe ich mal auf ein Pferd mit dem Namen Zweites Gesicht gesetzt. Ich habe meinen Ratgeber gefragt, aber der hatte keine Ahnung, welches Pferd gewinnen würde, nur der Name gefiel ihm nicht. Zu kitschig. Der Witz ist, dass Zweites Gesicht tatsächlich gewonnen hat. Mein Ratgeber hat sich dann eine Zeit lang nicht mehr blicken lassen.«
»Sie kannten Dr. Ransom so sieben, acht Jahre?«
»Ja, so in etwa. Er war ein großer Mann. Ich hoffe, dass er mir hilft, mich zu konzentrieren und mehr zu sehen als bisher.«
»Sie meinen, er ist jetzt ein weiterer Ratgeber?«
»Hm, so habe ich das noch gar nicht gesehen. Ja, vielleicht.«
»Wer, glauben Sie denn, hat ihn ermordet? Ich meine, was Sie ganz persönlich denken, nicht Ihre Ratgeber.«
Bevlin antwortete in sachlichem Ton: »Wenn ich jemanden aus unserem Metier nennen soll, dann Soldan Meissen. Der ist ein echter Spinner mit seinem Gehabe. Ich habe gehört, dass er sich jetzt fernöstlich kleidet. Er trägt seidene Gewänder und raucht Wasserpfeife, die Schwuchtel. Er ist gestört und gierig. Julia kennt seine Geschichte.
Wallace können Sie vergessen. Der ist harmlos. Was Kathryn Golden angeht, die würde ich als Mediennutte bezeichnen. Das hasst sie natürlich und straft mich dafür mit dem bösen Blick. Als Medienluder ist sie allerdings richtig gut. Ihren richtigen Namen, Betty Ann Cruther, hat sie vor etwa zwölf Jahren abgelegt. Das ist kein Geheimnis, das würde sie jedem erzählen, der danach fragt. Seltsamerweise fragt nur nie einer. Wieso sie sich wohl gerade Golden ausgesucht hat – eine derart lächerliche Farbe?«
»Fragen Sie doch einen Ratgeber«, sagte Cheney.
»Sehr witzig, Agent Stone. Ich werde Ihre Anwesenheit so lange tolerieren, wie Sie für Julia von Nutzen sind.«
Julia sagte: »Du hast nicht gesagt, ob du Kathryn den Mord an August zutraust.«
»Nee, Kathryn würde August nichts tun. Sie war in ihn verliebt.«
»Das habe ich nicht gewusst«, sagte Julia. »Da irrst du dich bestimmt, Bevlin.«
»Ganz und gar nicht. Warum solltest du auch davon wissen? Niemand hätte es dir gegenüber je erwähnt. Die Wahrheit ist, dass die verschlagene alte Kathryn August schon seit mindestens fünfzehn Jahren wollte. Ob er jemals mit ihr geschlafen
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