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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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dann wieder aufwachen und alles wäre nur ein Traum im Traum gewesen und alle wären noch da. Auch Robin.
    Ich wusste nicht, wie mein Leben außerhalb dieses Bettes weitergehen sollte, was ich tun würde, wenn ich einen Fuß hinausgestreckt und auf den Teppichboden gesetzt hätte. Würde der Boden sofort unter mir nachgeben?
    Es klopfte leise an der Tür. Ich tat so als würde ich es nicht hören. Ich würde heute sowieso nicht zur Schule gehen. Am besten würde ich nie mehr irgendwohin gehen.
    Da ging die Tür auf und Janni und Daniel kamen zögernd herein. »’tschuldigung, wir wollten dich nicht wecken«, sagte Janni. »Aber wir haben uns Sorgen gemacht, weil du nicht in der Schule warst und wir dich nicht erreichen konnten. Deine Mutter meinte, es wäre okay, wenn wir mal reinschauen. Sie sagt, du würdest wie Dornröschen schon eine Ewigkeit schlafen.«
    Daniel hatte eine Zeitung dabei, die aktuelle Abendausgabe. Er sagte: »Wir wollten nur kurz nach dir sehen, dich nicht stören. Wir können auch sofort wieder gehen.«
    »Ja, bitte«, sagte ich vorsichtig, »ich kann einfach nicht …«
    »Schon okay«, sagte Daniel.
    Ich wollte einfach nur meine Ruhe haben. »Wie spät ist es denn?«
    »Gleich sieben«, sagte Daniel. »Wir sollen dir von allen ganz, ganz liebe Grüße sagen. Und viel Mitgefühl.«
    »Danke«, sagte ich knapp.
    Ich hatte die halbe Nacht und den kompletten Tag geschlafen. Das war wirklich schon fast wie Dornröschen.
    »Ich weiß, das ist jetzt vielleicht nicht der richtige Zeitpunkt«, begann Janni vorsichtig und setzte sich am Fußende auf mein Bett. »Ich darf doch, ist doch okay, oder?« Sie hatte sich heute lange nicht so aufgedonnert wie sonst, trug ein normales T-Shirt und hatte die Haare im Nacken zusammengebunden.
    »Klar.«
    »Hat Mike … ich meine, als du ihn dort unten gefunden hast …«
    Daniel zog sich meinen Schreibtischstuhl ans Bett, als wäre ich krank und mein Bett ein Krankenhausbett.
    »Hat Mike … hat Mike da noch was gesagt, als du ihn gefunden hast?« Jannis Stimme zitterte.
    Ich ahnte worauf sie hinauswollte, ging aber nicht darauf ein. »Nein, da war er schon bewusstlos. Er ist auch im Krankenhaus nicht noch mal aufgewacht. Man weiß auch nicht, ob er jemals wieder aufwachen wird.«
    Janni fing an zu schluchzen und vergrub ihr Gesicht in den Händen.
    Daniel faltete die Zeitung auseinander und sagte: »Aber in der Zeitung steht, dass Mike auf der Fahrt ins Krankenhaus was von einem Tsunami gefaselt hat. Das haben die Sanitäter der Polizei erzählt.« Daniel hielt mir die Schlagzeile vor die Nase: »Schon wieder ein Sturz in die Tiefe – Wer ist Tsunami?«
    Ich zuckte mit den Schultern: »Ich weiß nicht, wer Tsunami ist. Und ich kann mir auch nicht vorstellen, dass Mike auf dem Weg ins Krankenhaus noch mal zu sich gekommen ist. Das müssen die irgendwo anders aufgeschnappt haben.«
    »Weißt du denn, ob es stimmt, dass Mike versucht hat, sich umzubringen, weil er so ein schlechtes Gewissen wegen Robin hatte? Das behaupten die auch.« Er klopfte auf das Zeitungspapier.
    »Quatsch! Mike hat Robin nichts getan!« Ich hatte das Gefühl, Mike verteidigen zu müssen, jetzt wo er das nicht mehr selber machen konnte.
    »Wer’s glaubt«, sagte Janni und deutete auf ihr Veilchen, das sich jetzt bereits ins Dunkellila verfärbt hatte.
    »Dann stimmt vielleicht die zweite Theorie«, sagte Daniel. »Dass da draußen jemand rumläuft, der Kinder mit Problemen in den Selbstmord treibt?«
    Mir fiel sofort die merkwürdige Frau vom Bahnhof ein.
    »Steht so in der Zeitung«, fügte Daniel hinzu.
    Jetzt zog ich sie doch zu mir und überflog die wenigen Zeilen unter dem Foto vom Fundort.
    Unter bisher ungeklärten Umständen fand hier an der Berkelbrücke in Kinderhaus der siebzehnjährige Schüler Marcus G. (Name von der Redaktion geändert) fast seinen Tod. In den späten Abendstunden fiel er gestern von der Fußgängerbrücke in das auf diesem Abschnitt trockene Flussbett der Berkel … Lesen Sie weiter auf Seite 3.
    Ich blätterte um und überflog den Text: Ich wurde als Mitschülerin erwähnt, allerdings ohne Namen, die das Opfer gefunden und deren Mutter den Notruf alarmiert hatte. Aus der Tatsache, dass man bei Mike Robins Abschiedsbrief gefunden hatte, schloss man, dass Mike vor lauter Schuldgefühlen Robin in den Tod folgen wollte. Die zweite Theorie war die, von der meine Mom heute Morgen schon im Taxi gesprochen hatte. Der Brief klang, laut der Aussagen der Experten,

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