Bücher online kostenlos Kostenlos Online Lesen
Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
Vom Netzwerk:
nicht nach einem Fünfzehnjährigen. Das könnte möglicherweise darauf hindeuten, dass jemand anderes den Brief geschrieben und hinter dieser »Inszenierung« stecken könnte. Die Polizei meinte, Inhalt und Ton des Briefes verwiesen auf eine Art Mission. Eine Mission, Jugendliche wie Robin in den Tod zu schicken, um die Gesellschaft und deren Umgang mit Kindern und jungen Menschen anzuprangern. Der Reporter spekulierte, ob dieser »Tsunami«, von dem Mike gesprochen hätte, ein selbst ernannter »Rächer der inoffiziellen Jugendopfer unserer Gesellschaft« sein könnte?
    Tsunami ist kein Mann.
    Diese komische Frau mit dem Strohhut musste irgendetwas mit der Sache zu tun zu haben. Daran hatte ich langsam keinen Zweifel mehr. Aber welche Verbindung sie zu Robin gehabt hatte und wie diese Verbindung entstanden war, konnte ich mir nicht vorstellen. Und wieso hatte sie sich als Nächstes Mike vorgenommen? Würde sie weitermachen? Wer war der oder die Nächste? Janni oder Daniel oder …?
    Pass auf, Michelle!, Mikes Rufen aus dem Traum hallte noch in meinem Kopf wider.
    Tsunami ist eine Frau.
    Ich ließ die Zeitung sinken. Janni und Daniel, die wohl gedacht hatten, ich hätte die ganze Zeit gelesen, sahen mich gespannt an.
    »Was sagst du dazu?«, fragte Daniel.
    »Was soll ich dazu sagen? Du hast doch immer gleich zu allem eine Meinung«, gab ich zurück.
    »Glaubst du, dass hier irgendwo so ein Verrückter rumläuft?«
    »Wieso unbedingt ein Mann? Es könnte doch auch eine Frau sein!?«, bemerkte ich.
    »Eine Frau macht so was nicht«, wandte Janni ein. »Eine Frau würde einem Kind in Not immer helfen.«
    »Da wär ich mir nicht so sicher …« Ich ließ diesen Satz zwischen uns in der Luft hängen.
    Janni und Daniel musterten mich eindringlich, stellten aber keine weiteren Fragen.
    Wir schwiegen eine ganze Weile und ich versuchte, meine Gedanken zu ordnen.
    »Warum hatte Robin seinen Brief nicht selbst dabei, als er …? Warum hat man seinen Brief bei Mike gefunden?« Zu spät merkte ich, dass ich laut gedacht hatte und besser etwas vorsichtiger mit meinen Äußerungen und Vermutungen sein sollte. Ob Janni und Daniel, wenn es hart auf hart kam, an meiner Seite stehen würden, da war ich mir nicht hundertprozentig sicher.
    »Und wer sind diese …«, Janni griff nach der Zeitung, »… Mördermacher, von denen in dem Brief die Rede war? Hat er damit seine Eltern gemeint?«
    »Das kann ich mir wirklich nicht vorstellen«, sagte ich und Daniel nickte zustimmend.
    »Damit kann ja sonst wer gemeint sein: irgendein Lehrer zum Beispiel. Der Schulze aus Sport, dem würde ich das zutrauen, so wie der einen immer zusammenscheißt. Als wär man beim Militär«, sagte Daniel.
    »Oder ein Nachbar, Verwandter, ein Priester«, warf ich ein.
    »Ein Priester!?« Janni tippte sich an die Stirn. »Mit wie vielen Priestern hat Robin denn bitte schön in der letzten Zeit Kontakt gehabt?«
    »Was weiß denn ich?«, fuhr ich sie an.
    »Ja, das wüsste ich auch gerne mal, was du eigentlich weißt, Michelle?« Daniel sah mir forschend in die Augen.
    »Ich? Ich weiß nicht mehr als ihr.«
    »Man sieht dir aber an, dass das nicht stimmt«, sagte Janni.
    Shit, shit, shit! Ich würde hier noch durchdrehen! Ich stützte den Kopf in die Hände und schloss für einen Moment die Augen.
    »Was ist?«, fragte Daniel nicht mehr ganz so fordernd.
    »Ich bin einfach traurig, okay? Total traurig und wütend. Ich hab meine beiden Freunde verloren, was glaubt ihr, wie es mir gerade geht?«
    »Aber Robin war doch gar nicht dein Freund.«
    »Du hast doch keine Ahnung!«, erwiderte ich. »Ich will einfach meine Ruhe.«
    »Ist ja schon gut«, sagte Janni.
    »Wir gehen besser«, sagte Daniel leise.
    »Ja! Bitte!«, platzte es aus mir heraus.
    Die beiden standen wortlos auf und gingen mit einem »Bis dann!« zur Tür.
    Dann war ich wieder allein und vergrub mich in Kissen und Decke.
    Und wenn alles tatsächlich so gewesen war, wonach es auch aussah? Zwei Jungs hatten sich das Leben genommen. Weil sie beide Probleme hatten, die ich nicht ernst genug genommen hatte? Wer wusste schon, womit die beiden sonst noch zu kämpfen gehabt hatten? Hatte Robin, und vielleicht auch Mike, so viel Wut und Enttäuschung in sich gehabt, dass er nur noch zwei Möglichkeiten sah: um sich zu schlagen und anderen wehzutun, oder sich selbst zu töten?
    Auch mit meiner Mutter sprach ich nicht über meinen Verdacht, die Andy-Dream -Frau könnte eine Schlüsselfigur in diesem Rätsel sein.

Weitere Kostenlose Bücher