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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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Ich hatte nichts in der Hand, würde die Frau vielleicht nicht mal wiedererkennen. Doch – ihre giftgrünen Augen schon. Aber wo sollte ich nach ihnen suchen? Bei der Polizeivernehmung würde ich wohl die Wahrheit sagen müssen, aber ich würde mich dabei auf einen Bruchteil der Wahrheit beschränken.
    Mir ging einfach zu viel durch den Kopf, zu viele Gedanken, zu viele Verdächtigungen, und dazu noch Träume und Fantasien.
    Wenn ich das alles auf den Tisch packen würde, wäre entweder der Teufel los oder alle würden sich nur über mich lustig machen.
    Und schlimmstenfalls mich auch noch verdächtigen! Wenn dann die Geschichte an der Berkel herauskommen würde, wäre ich wahrscheinlich eindeutig mitschuldig. Mike und ich hatten Robin dort fast umgebracht. Kam man dafür schon in den Jugendknast?

    Für Mike war es fast egal, ob es bei Robin ein Unfall oder Selbstmord gewesen war. Er hätte sich auch an einem Unfall die Schuld gegeben. Zu Recht. (. . .)
    Entschuldigen Sie. Ja, ich mein ja bloß. (. . .) Wie kann man einem Jungen so etwas Schlimmes antun!? (. . .)
    Es war immer so eine komische Mischung bei Mike. Diesen Kerl konnte ich nie so wirklich einschätzen. Er wollte Michelle nach Robins Tod Angst machen, um sie … ja, ich weiß auch nicht so genau. Er dachte wahrscheinlich, dass er Michelle auf anderen Wegen nie erreichen würde. (. . .)
    Wir können nur hoffen, dass Mike wieder aufwacht und wieder gesund wird. Und sich erinnert. Dann kann er uns alles erzählen. (. . .)

13
    Zu Robins Beerdigung wollte ich eigentlich nicht gehen, ohne Mike. Meine Mutter verstand das zwar, hatte aber Angst, dass ich es hinterher bereuen könnte, mich nicht richtig von Robin verabschiedet zu haben. Aber ich hatte schon so viel Abschied in mir, dass ich eher das Gefühl hatte, nicht noch mehr ertragen zu können.
    So ging sie ohne mich hin, band ihre Haare mit einem Gummi zusammen und legte eine Selfmade-Kette mit schwarzen Steinen um den Hals. Als sie weg war, überlegte ich es mir doch noch einmal anders. Ich wartete die kleine Messe in der Friedhofskapelle ab und ging dann direkt zur Grabstelle, wo schon ein zwei Meter tiefer Schacht ausgehoben worden war. Die roten Karo-Stiefel hatte ich gegen schwarze eingetauscht, deren schwere Absätze in der weichen Erde versanken. Mom drückte mich, als ich ankam. Janni und Daniel, die nebeneinander in der Nähe der ausgehobenen Grube standen, lächelten kurz und waren anscheinend auch froh, dass ich gekommen war.
    Lisa schluchzte, als der Priester die letzten Worte sprach und Wolfgang hielt sie fest und starrte dabei auf den Sarg in der Tiefe. Noch war er nicht mit Erde bedeckt, noch war Luft über ihm. Robin war noch nicht endgültig unter der Erde eingeschlossen. Jederzeit könnten ihm orangerote Flügel wachsen und er könnte aus der Gruft emporflattern. Doch es flogen nur Blüten und Blumen hinein und schwebten nach unten auf den Sargdeckel.
    Das Gegenteil von Liebe ist nicht Hass, sondern Gleichgültigkeit.
    Janni schmiegte sich an Daniel, der ritterlich den Arm um sie legte. Er starrte geradeaus ins Nirgendwo. Robins Klasse sang mit dem Musiklehrer als Chorleiter »Niemals gehst du so ganz, irgendwas von dir bleibt hier« von Peter Maffay.
    Die Zwillinge hatten jeder eine schwarze Rose dabei, wahrscheinlich aus Plastik, die sie an Janni und Daniel übergaben, mit der Bitte, sie in das Grab zu werfen. Janni und Daniel gaben die schwarzen Rosen weiter an Mikes Eltern. Evelyn Saalfeld wäre fast geplatzt vor Wut, riss ihrem Mann das Exemplar aus der Hand und zertrat die Stengel der beiden Pech-Blüten und stopfte sie in den nächsten Mülleimer. Aufgebracht verließen sie die Beerdigung und fuhren wahrscheinlich direkt weiter zu Mike ins Krankenhaus. Das würde ich später auch noch machen.
    Mikes Banknachbar war auch aufgetaucht, stand ein Stück abseits und rauchte eine Zigarette, was ihm einen sehr bösen Blick des Musiklehrers einhandelte. Für die Kippe grub er mit dem Absatz seines Stiefels ein kleines Loch in die Erde, warf den Zigarettenstummel hinein und trat das Loch wieder zu. Ich stellte mir einen kleinen Grabstein mit der Aufschrift vor: »Hier ruht die letzte Kippe, die ich für meinen Kumpel Mike geraucht habe.«
    Ich ging auch ein paar Meter zurück und stellte mich in die angrenzende Grabreihe. Mom wollte mir hinterherkommen, aber ich gab ihr ein Zeichen, dass ich lieber allein sein wollte. Hier konnte ich mir die Option offen halten, jederzeit zu gehen, ohne

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