Hassbluete
mein Leben leben zu können.«
Lisa zitterte, strich sich mit den Händen übers Gesicht und fuhr dann fort: »Dann hat er mir vorgeworfen, dass ich die Pille abgesetzt hätte und ein neues Kind mit dir wollte.« Sie warf ihrem Mann einen kurzen Blick zu. Er runzelte irritiert die Stirn. »Er meinte, wenn ich ein zweites Kind bekäme, wäre er endgültig abgeschrieben. Dann würde sich überhaupt niemand mehr für ihn interessieren. Nicht einmal mehr seine eigene Mutter.« Lisa schluchzte, dann sah sie mich an und hielt Blickkontakt, solange sie das Folgende sagte: »Dann ist Robin gehässig geworden, richtig bösartig. So hatte ich ihn noch nie erlebt. Er hat gesagt, ich müsse mich beeilen, sonst wäre deine Mutter wahrscheinlich schneller als ich. Und Wolfgang hätte am Ende ein Kind mit ihr . Er hat so komische Andeutungen gemacht, dass Susanne ja im Gegensatz zu mir den ganzen Tag zu Hause sei und immer zur Verfügung stehen würde.«
Das war heftig. Und mit Sicherheit nicht die Wahrheit. Ich traute es meiner Mutter nicht zu, dass sie hinter Lisas Rücken eine Affäre mit Wolfgang anfing.
»Ich habe nichts mit Susanne«, sagte Wolfgang da auch. »Wie kam Robin nur darauf!?«
»Na ja, mir hat es trotzdem keine Ruhe gelassen. Ich hab mich da ziemlich reingesteigert. Er hat behauptet, Beweise zu haben. Und als du dann von diesem Kellerraum erzählt hast …«
»Deshalb hast du den ganzen Keller auf den Kopf gestellt?«
Seine Frau nickte: »Nicht nur, aber auch. Diese Gedanken haben mich einfach nicht mehr losgelassen.«
Nach einer Pause fuhr sie fort: »Und als Robin vom Balkon gefallen ist, war ich auch nur wegen meiner dämlichen Eifersucht da. Wäre ich doch bloß gleich in unsere Wohnung gegangen, dann hätte ich alles verhindern können. Aber es war mir dann doch zu blöd, dich zu kontrollieren, und ich bin wieder runter, ohne die Wohnung zu betreten.«
Wolfgang schaute irritiert, weshalb Lisa sofort zu einer weiteren Erklärung ansetzte: »Ich hab mich für meine Eifersucht geschämt. Sobald ich vor unserer Wohnung stand, kam mir alles völlig absurd vor! Ich war ein Idiot!«
Helen Marquardt legte tröstend ihre Hand auf Lisas Arm. Die zog ihn sofort weg. »Lassen Sie das. Es ist alles meine Schuld. Ich hab versagt. Ich hätte Robin aufhalten können, wenn ich das Richtige auf seine Frage geantwortet hätte.«
»Welche Frage denn?«, platzte ich dazwischen.
Lisa sah mich lange an, dann antwortete sie: »Er hat mich am Schluss des Telefonats gefragt, was ich ihm dafür geben würde, wenn er nicht mehr da wäre?«
Dieselbe Frage, die er auch mir und Mike gestellt hatte.
»Was? Mich hat er das auch gefragt.« Es war Wolfgang, der das sagte.
»Und mich auch«, gab ich jetzt zu. »Zusammen mit Mike.«
Wir schwiegen, dachten wohl alle daran, was wir Robin in diesen Momenten geantwortet hatten und was wir eigentlich hätten antworten sollen.
»Was habt ihr … was haben Sie geantwortet«, fragte Helen.
Ich hatte einen Kloß im Hals und konnte nicht antworten. Gott sei Dank fing Wolfgang an: »Ich hab ihm gesagt, dass ich ihm nichts geben würde, weil ich das nicht wollen würde, weil ich ihn vermissen würde. Und er sollte nicht so einen Quatsch reden und mir nicht solche Angst machen.« Wolfgang wandte seinen Blick zu der Fachfrau: »Total falsch, oder?«
Die meinte für mich eine Spur zu verständnisvoll: »Sie konnten ja nicht wissen, dass er es ernst meint.«
Lisa war jetzt kurz davor loszuheulen: »Ich hab ihm gesagt, dass ich mich nicht von ihm erpressen lasse, und ihm gedroht, dass ich ihn zu seinem Vater nach Belgien schicke, wenn er nicht aufhörte, sich wie ein Tyrann aufzuführen.«
»Lisa, wie konntest du so etwas zu Robin sagen!?« Wolfgang schüttelte fassungslos den Kopf.
»Ich war einfach nervlich am Ende. Ich habe meinen eigenen Sohn nicht wiedererkannt. Der sanfte stille Robin war verschwunden und stattdessen war er aggressiv und boshaft. Er hat verlangt, dass ich nur noch halbtags arbeite, wenn er in der Schule ist, und mehr Zeit für ihn habe.«
»Er war schon fast sechzehn und kein Kleinkind mehr.« Wolfgang tippte sich an die Stirn.
»Ich hab ihm gesagt, das geht nicht, weil wir das Geld brauchen, bis du dein Buch fertig geschrieben und verkauft hast.«
Helen Marquardt mischte sich ein: »Er hat Sie vielleicht als Schutz gegen Tsunami gebraucht.« Dann wandte sie sich zu mir: »Euer Keller war genauso ein lebensnotwendiger Schutzraum für ihn. Nur da war er sicher vor
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