Hassbluete
das?« Sie starrte mich verblüfft an.
»Ich hab es gehört.«
»Was genau?«, schoss es aus ihr heraus.
Ich fand, dass jetzt erstmal sie an der Reihe war, mir ein paar Fragen zu beantworten.
»Warum wollen Sie das wissen?«, fragte ich herausfordernd und klammerte mich noch mehr an Wolfgang.
»Weil es dann einen Zeugen gäbe«, sagte sie ruhig, ohne Wolfgang aus den Augen zu lassen.
»Wofür?«
»Für Robins Todesangst«, sagte sie ernst und wartete, wie diese Worte auf uns wirken würden.
Wolfgang und ich sahen uns an, und als hätten wir uns abgesprochen, schüttelten wir beide den Kopf.
»Robin hat manchmal ganz schön übertrieben«, sagte ich.
»Und der Brief«, sagte sie und fügte schnell hinzu: »Der in der Zeitung erwähnt wurde?«
Wolfgang und ich zuckten mit den Schultern. »Wir wissen nicht, ob er wirklich ernst gemeint war oder nur eine leere Drohung, ein Scherz. Wenn man das so bezeichnen kann«, fügte er hinzu.
»Was wollen Sie eigentlich von uns?«, fragte ich zurück. »Was geht Sie das alles überhaupt an? Haben Sie ein schlechtes Gewissen, weil Robin jetzt tot ist und Sie ihn nicht retten konnten? Hat Mike Sie am Ende auch noch angerufen, bevor er hier runtergestürzt ist?« Letzteres war nicht wirklich ernst gemeint. Ich wollte ihr zeigen, wie absurd ich das alles fand.
Aber sie antwortete: »Ja.«
Fassungslos starrte ich sie an, konnte aber kein Wort herausbringen.
»Mike hat nach Robins Tod bei mir angerufen. Er hatte ja Robins Handy, also auch meine Nummer. Es war die einzige Nummer, die in Robins Handy gespeichert war.«
»Aber er hat gesagt, dass er den Pin nicht knacken konnte!?«, hakte ich ein.
»Doch«, entgegnete sie. »Robin hat deine Geburtsdaten benutzt, hat Mike mir am Telefon erzählt. Du bist doch Michelle!?«
Ich nickte. Da war Mike bestimmt von allein draufgekommen. Klar, dass er dann Daniels Hilfe nicht mehr gebraucht hatte.
»Was hat Mike gesagt?«, wollte ich wissen. Mir hatte er nichts davon erzählt.
»Wir haben uns unterhalten. Er wollte wissen, ob Robin das Handy von mir hatte. Aber ich habe ihm nicht gesagt, wer ich bin.« Dann fügte sie noch hinzu: »Ich habe versucht herauszufinden, ob Mike Tsunami war.«
»Wie denn?«, fuhr ich sie an.
»Ich habe ihn gefragt, ob er Robin irgendetwas angetan hat, das mit Wasser zu tun hat?«
»Und?«
Hat er Ihnen etwa von der Berkel erzählt?
»Er hat sofort geblockt, was mir verdächtig vorkam. Dann habe ich ihm alles erzählt, was Robin mir über Tsunami anvertraut hatte. Wie grausam er war, wie viel Angst Robin in Wahrheit vor ihm hatte. Und dass Robin gesagt hatte, dass Tsunami kein Mann sei.«
»Und? Weiter?«, drängelte ich.
»Nichts. Mike hat dann ganz plötzlich aufgelegt. Ich hatte nur vermutet, dass dieser Tsunami etwas mit Wasser zu tun haben könnte, deshalb der Name.«
Die Berkel, dachte ich. Ich warf Wolfgang einen schnellen Blick zu. Er deutete ein minimales Nicken an, das mir zeigte, dass ich mich auf ihn verlassen könnte und er mich nicht verraten würde.
»Ich bin mir sicher – wer Robins beziehungsweise Mikes Handy jetzt hat, der hat auch Mike auf dem Gewissen.« Helen sah Wolfgang feindselig an. Wahrscheinlich war diese Frau selbst ein bisschen verrückt? Vielleicht wurde man das, wenn man sich den ganzen Tag am Telefon mit Bekloppten rumschlug.
»Das Handy ist doch verschwunden, oder?« Sie blickte wieder abwechselnd zu Wolfgang und zu mir.
Wir nickten beide.
»Als Mike mich damit anrief, fing im Hintergrund ein Handy an zu läuten – mit Ihrem Klingelton. Ich habe ihn auf dem Friedhof wiedererkannt«, sagte Helen zu Wolfgang.
»All you need is love«, warf ich ein.
Die Frau nickte.
»Aber das hier hört sich doch ganz anders an.« Ich wies auf Wolfgangs Handy in der Hosentasche.
»Deshalb ist es ja nicht seins, sondern Robins«, sagte Helen Marquardt zu mir. Wahrscheinlich wollte sie mich überzeugen und auf ihre Seite ziehen.
»Und wenn er sich einen neuen Klingelton runtergeladen hat!?« Ich guckte dabei fragend zu ihm, doch er ging nicht darauf ein. Stattdessen fingerte er an seiner Hosentasche herum. »Also gut, wenn Sie es unbedingt wissen wollen.«
»Halt, zuerst lassen Sie das Mädchen runter.«
»Ich will aber nicht«, trotzte ich.
Wolfgang musste über mich lachen, löste eine Hand von mir, um weiter nach dem Handy zu fischen. Er war scheinbar ziemlich nervös. Jedenfalls hatte er es fast in der Hand, als es ihm aus der Hand zu gleiten und zu Boden zu fallen
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