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Hassbluete

Hassbluete

Titel: Hassbluete Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Agnes Kottmann
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drohte. Er schnappte mit der freien Hand danach, ohne mich mit der anderen loszulassen, verfehlte das Handy aber und ließ mich für einen kurzen Moment doch ganz los. Und ich verlor tatsächlich das Gleichgewicht, kippte nach hinten und schrie. Aber im selben Augenblick hatte er mich schon wieder gepackt. Nur dass ihm dabei das Handy entglitt und tief nach unten ins Wasser fiel.
    »Mist, das Handy«, sagte ich erschrocken.
    »Hätte ich lieber dich fallen lassen sollen!?« Wolfgang half mir vom Geländer runter und war sichtlich froh, dass mir nichts passiert war. »Die Frau hat recht. Es ist wirklich zu gefährlich da oben.«
    Wolfgang ließ mich erst wieder los, als ich festen Boden unter den Füßen hatte. In dem Moment sah ich, dass Lisa durch die Flussauen joggte. Sie guckte auch, bemerkte uns wohl erst jetzt und änderte die Richtung.
    Die Frau von der Telefonseelsorge wollte sich jetzt wohl doch geschlagen geben und war gerade dabei, ihr Handy wegzustecken. Doch aus einem Impuls heraus war ich schneller und schnappte es mir. Sie wollte es mir sofort entreißen, doch Wolfgang war eine Millisekunde schneller und nahm es an sich. Dann stellte er sich zwischen sie und mich und gab es mir zurück. Ich scrollte mich in seinem Schutz bis zu ihrer Nachrichtenliste durch und fand dort nur eine einzige SMS. Die war dafür aber sehr lang. Meine Augen flogen über den Text und ich konnte nicht glauben, was ich dort las – es war der Text von Robins Abschiedsbrief.
    »Hallo … wenn Ihr diesen Brief lest …«, stand da. Ich hatte den Brief so oft gelesen, dass ich sofort erkannte, dass er mit diesem identisch war. Nur der Name unten fehlte.
    »Ich kann das erklären«, sagte Frau Marquardt.
    »Sie hat Robins Abschiedsbrief geschrieben. Hier – lies!« Ich gab Wolfgang das Handy, auch er überflog die Zeilen nur.
    »Was haben Sie mit meinem Sohn gemacht?«, fuhr er sie an.
    »Und mit Mike?«, giftete ich hinterher.
    »Und ich hab gedacht, Lisa hat was damit zu tun.« Wolfgang schüttelte erleichtert und verzweifelt zugleich den Kopf.
    »Lisa?«, fragte Helen Marquardt.
    »Robins Mutter«, klärte ich sie auf.
    »Was hat sie damit zu tun?«, fragte Helen.
    »NICHTS!«, fuhr ich sie an. Kapierte die denn gar nichts.
    Jetzt erkannte Wolfgang auch Lisa, die am Flussufer entlangjoggte, und stieß einen Pfiff aus, um sie auf uns aufmerksam zu machen und zu uns herzuwinken. Helen wollte gerade ansetzen, alles zu erklären, aber Wolfgang sagte nur kurz: »Gleich. Meine Frau soll es auch hören.«
    Nachdem Lisa völlig verschwitzt und außer Atem bei uns angekommen war und sich die beiden Frauen mit einem Kopfnicken begrüßt und kurz vorgestellt hatten, legte Helen los. Sie erzählte von Robins Anruf …

    Robin muss bei dem Anruf bei Helen Marquardt total verstört gewesen sein. (. . .)
    Mike hat mir das hinterher auch so erzählt, der hatte ja mit ihr darüber gesprochen. (. . .)
    Robin hat Helen Marquardt verraten, dass er einen Amoklauf plante und alle, die ihm nahestanden, mit in den Tod nehmen wollte. Auch um sie von Tsunami zu befreien und vor seiner Rache zu bewahren. (. . .)
    Und deshalb ist sie auf die Idee mit dem Abschiedsbrief gekommen, damit Robin seinen Plan noch mal überdenkt. (. . .)
    Ja, der Gedanke dahinter war, dass Robin so den Plan vielleicht fallen lassen würde und man diesen Tsunami doch noch überführen könnte. (. . .)
    Nein, also eine Mission würde ich das nicht nennen … ich weiß nicht. So genau hat sie das auch nicht erklärt. Sie hatte wohl keine andere Wahl. Nichts zu tun war jedenfalls keine Option. (. . .)

16
    Helen entschuldigte sich, dass sie sich nicht früher gemeldet oder zu erkennen gegeben hatte. Die Angst, ihren Job zu verlieren, weil sie unprofessionell gehandelt hatte, war größer gewesen. Den Mitarbeitern von Reden ist Gold war es eigentlich untersagt, auf anderen Wegen als über die Hotline Kontakt zu Anrufern aufzunehmen. Solche Alleingänge konnten sowohl die Mitarbeiter als auch die Betroffenen gefährden.
    Nach Mikes »Suizidversuch« und als man Robins »Abschiedsbrief« bei ihm gefunden hatte, war sie zunehmend nervös geworden und hatte angefangen, sich auch ernsthafte Sorgen um mich zu machen. Sie konnte einfach nicht mehr genau abschätzen, wer hier wirklich die Fäden in der Hand hielt und wer wen gefährdete. Sie war mir auf die Beerdigung und hierhin auf die Brücke gefolgt – hatte mich manchmal beschattet, wenn sie Zeit hatte, unser Haus von ihrem Wagen aus

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