Hastings House
glaube, Adam will seine Reise absagen, um bei dir zu bleiben. Er ist sehr besorgt um dich.”
“Mir geht es gut.”
“Und der Zwischenfall in der Gruft? Der Sturz in der U-Bahn? Glaubst du wirklich, dass das Unfälle waren?”
“Ab sofort werde ich besser aufpassen”, versprach Leslie. “Und ich lasse Joe im Hastings House übernachten.” Sie zögerte kurz. “Nikki, ich bin davon überzeugt, dass ich da auf einer richtigen Fährte bin. Ich muss immer wieder an die Tunnel denken.”
“Und hast du schon einen Tunnel gefunden? Oder eine Lösung?”
“Nein, noch nicht.”
Nikki musterte sie aufmerksam. “Adam und ich glauben, dass du in Gefahr bist, Leslie.”
“Ich bin den ganzen Tag unter Leuten, und Joe passt sogar nachts auf mich auf. Nur, dass er nicht in meinem Zimmer ist.”
Für einen Augenblick ließ Nikki den Kopf sinken, dann sah sie Leslie wieder an. “Gib es zu. Du willst gar nicht, dass Joe im Haus übernachtet, auch wenn ich dir anmerken kann, dass du ihn sehr magst. Aber du hast Angst, Matt könnte wegbleiben, solange Joe da ist.”
“Mag sein”, gab Leslie zu.
Nikki drückte ihre Hand. “Matt hat dich geliebt und dir vertraut. Und genauso war seine Beziehung zu seinem Cousin. Ich möchte wetten, Matt wäre glücklicher, wenn er wüsste, dass du in Sicherheit bist.”
Plötzlich klingelte Leslies Mobiltelefon. Rettung in letzter Sekunde, dachte sie und nahm das Gespräch an. Auf dem Display hatte sie gesehen, dass der Anruf von Joe kam.
“Wo bist du?”
“Im O’Malley’s.”
“Mit wem?” Er klang beunruhigt.
“Adam und Nikki. Wieso? Was ist los?”
“Ich bin gleich bei dir”, waren seine einzigen Worte, dann hatte er auch schon aufgelegt. Sie klappte gerade ihr Telefon zu, als Adam zu ihnen an den Tisch zurückkam und Eileen Brideswell mit herüberbrachte.
“Hallo”, begrüßte Eileen sie zurückhaltend.
“Mrs. Brideswell, wie geht es Ihnen?”, fragte Leslie. Es war offensichtlich, dass es ihr nicht besonders gut ging, aber der Höflichkeit halber musste sie diese Frage stellen.
“Ich nehme an, Sie kennen Leslie MacIntyre bereits, Eileen”, sagte Adam.
“Ja, wir kennen uns”, antwortete sie freundlich.
“Und das ist meine Kollegin, Nikki Blackhawk”, fuhr er fort.
“Freut mich, Sie kennenzulernen”, entgegnete Nikki.
“Danke, dass Sie mich an Ihren Tisch einladen”, erklärte Eileen. Ihre Worte waren ernst gemeint, das war offensichtlich. Angesichts ihrer gesellschaftlichen Stellung hätte sich Eileen mit den wichtigsten Bürgern der Stadt zum Essen zusammensetzen können, doch Leslie glaubte, die Frau zu verstehen. Sie wollte ihre Zeit gar nicht mit den Reichen und Mächtigen verbringen und dazu gezwungen sein, zu lächeln und zu nicken und über die wichtigen Tagesereignisse reden zu müssen. Stattdessen wollte sie mit ihren Gedanken allein sein. Sich zu ihnen an den Tisch zu setzen war etwas völlig anderes.
“Ich glaube, wir haben einen gemeinsamen Bekannten”, sprach Eileen Leslie an, als sie ihr gegenüber Platz genommen hatte.
“Sie meinen Joe? Ja, ich weiß, Sie haben ihn beauftragt”, erwiderte sie.
Eileen nickte.
“Er wird herausfinden, was mit Genevieve geschehen ist, ganz bestimmt.” Leslie streckte ihren Arm aus und legte ihre Hand auf die von Eileen, um ihre Zuversicht auszudrücken.
Was dann passierte, traf Leslie völlig unvorbereitet.
Das Bild vor ihren Augen schien zu verschwinden, doch es tauchte nicht in Dunkelheit ab, sondern wurde von einem Lichtblitz überlagert. In diesem Blitz sah sie nicht Eileens Seele oder ihre Vergangenheit – sie sah Genevieve.
Die andere Frau stand am Fuß eines schwarzen Abgrunds, es war feucht und kalt.
Wie in einem Grab.
Aber sie war nicht tot.
Ihr Haar hatte sie aus dem Gesicht gestrichen und hinter dem Kopf verknotet. Sie war dünn, fast schon hager, aber sie war mit irgendetwas beschäftigt, als würde sie an etwas Unsichtbarem reißen und zerren. Sie ließ in ihrem Bemühen nicht nach …
Und dann, auf einmal, überkam sie eine völlige Erschöpfung, und sie konnte nur noch schluchzend zu Boden sinken.
Rasch zog Leslie ihre Hand zurück, während die Vision in völliger Schwärze verschwand.
“Ist alles in Ordnung?”, fragte Eileen besorgt. “Man könnte meinen, Sie hätten einen Geist gesehen.”
Leslie rang sich zu einem Lächeln durch. Nein, keinen Geist, sondern eine lebendige Frau. Genevieve.
Sie konnte das nicht sagen. Eileen würde sie für verrückt
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