Hastings House

auch im Besitz sämtlicher notwendiger Telefonnummern war. Außerdem musste sie versprechen, sich sofort zu melden, wenn sie etwas benötigte.
    Greta bestand darauf, sich noch im Erdgeschoss umzusehen, weil sie wissen wollte, ob der Partyservice wirklich alles zu ihrer Zufriedenheit sauber gemacht und weggeräumt hatte. Gleichzeitig überprüfte sie, ob alle Fenster und Türen verschlossen waren, dann erklärte sie Leslie die Alarmanlage und gab ihr den Code, während die anderen am Hauseingang warteten. Schließlich musste sogar selbst Greta zugeben, dass im Haus alles in Ordnung war.
    “Also … morgen ist Montag, da öffnet das Haus um zehn Uhr. Melissa Turner ist gegen halb neun hier – sie kümmert sich um den Verkauf der Eintrittskarten –, Tandy Goren und Jeff Green kommen meistens etwas später. Die beiden sind für die Führungen zuständig. Wenn Melissa ins Haus kommt, setzt sie den Kaffee auf. Sie arbeitet immer gern möglichst weit im Voraus, damit sie sich später Zeit lassen kann. Sie ist ein echter Schatz. Sie werden sie mögen, Leslie. Erschrecken Sie sich nur nicht, wenn Sie früh am Morgen Stimmen im Haus hören.”
    “Es könnte sein, dass ich um die Zeit schon längst weg bin”, erwiderte Leslie und schaute zu Laymon. “Wann treffen wir uns morgen früh, Professor?”
    “Lassen Sie sich ruhig Zeit. Zehn Uhr genügt vollauf”, sagte er. “Sie wissen, wo es ist?”
    “Ein Stück weit die Straße runter. Ich glaube, das kann ich gar nicht verfehlen”, meinte sie lächelnd.
    “Na gut. Falls Sie uns nicht sofort auf dem Gelände entdecken können, rufen Sie mich auf meinem Mobiltelefon an. Ich will mir einen generellen Überblick verschaffen, danach können Sie und Brad loslegen, während ich ein paar Studenten dazuhole.”
    Leslie nickte, während sie sehnlichst darauf wartete, dass endlich alle das Haus verließen.
    Ken Dryer strich sich sein blondes Haar aus der Stirn und nahm Leslies Hand. “Ich bin immer noch ein Cop”, sagte er mit belegter Stimme. “Sie wissen, Sie können auf mich zählen, wenn Sie etwas brauchen.”
    Lass ihre Hand los, Schwachkopf!
    Plötzlich runzelte Ken die Stirn, als hätte er irgendetwas wahrgenommen. “Rufen Sie mich einfach an.”
    “Danke”, erwiderte sie.
    Hank trat vor. “Okay, ich bin zwar kein Cop, aber wenn Sie etwas brauchen, bin ich auch jederzeit für Sie da.” Er gab ihr einen Kuss auf die Wange.
    Du bist der größte aller Schwachköpfe!
    Auf einmal schien er zu stolpern. “Geben Sie mir Bescheid, wenn ich was für Sie tun kann.”
    Robert drückte Leslie an sich, Brad gab ihr ebenfalls einen Kuss auf die Wange. “Bis morgen, Kleine.”
    Greta nahm sie in die Arme und drückte sie so besorgt, dass Leslie das Gefühl bekam, sie würde die Nacht in einem Raubtierkäfig verbringen müssen. Jeder hatte solche Angst um sie, dabei konnte sie keinem von ihnen erklären, warum sie unbedingt in diesem Haus bleiben wollte.
    Und zwar allein.
    Dann war die Verabschiedungsrunde endlich überstanden. Robert Adair sah unverändert besorgt drein. Als sie ihm einen Kuss auf die Wange gab, flüsterte sie ihm zu: “Wir gehen bald mal zusammen essen, wie findest du das?”
    Seine Miene hellte sich sofort auf, und er nickte zustimmend.
    “Es ist wirklich schön, dass du wieder zurück bist, Leslie”, sagte er ernst.
    “Ja, zurück in New York und wieder bei uns”, fügte Ken Dryer hinzu.
    Sie lächelte die beiden an und meinte leise: “Hier ist eben meine Heimat.”
    Dann endlich waren alle gegangen, und sie hatte das Haus für sich allein.
    An der Eingangstür stehend hörte sie die Geräusche von der Straße – Hupen, jemand brüllte etwas, irgendwo sprang die Alarmanlage eines Autos an. Das Übliche halt.
    Sie verdrängte diese Geräuschkulisse, bis sie ganz in den Hintergrund getreten war, dann konzentrierte Leslie sich auf das Haus.
    Nichts war zu hören. Alles war völlig ruhig. Nicht einmal eine alte Diele knarrte.
    Hastings House stand schon seit mehr als zwei Jahrhunderten an dieser Stelle, es hatte Krieg und Frieden, das Leben und die Liebe mitgemacht … und den Tod. Zumindest ein paar Geister mussten sich hier aufhalten. Es war Zeuge eines Freiheitskrieges und eines Bürgerkrieges gewesen, der das Land zerrissen hatte. Es hatte das Jahr 1812 miterlebt, als eine flügge werdende Nation nach ihrer Unabhängigkeitserklärung ihre erste schwere Bewährungsprobe bestehen musste. Aufstände hatte es ebenfalls gesehen, als in einer