Hastings House
brauche noch etwas mehr Zeit.”
“Zeit?”, wiederholte sie.
Er antwortete nicht, jedenfalls nicht mit Worten.
Als sie aufwachte, hatte sie den Traum noch so genau in Erinnerung, als sei er real gewesen. Sie lag nackt unter dem Laken, und das ganze Bett war zerwühlt.
Sie fluchte leise, weil ihr die Szene zutiefst peinlich war, obwohl niemand sie sehen konnte.
Kopfschüttelnd schloss sie kurz die Augen, dann ließ sie den Blick durch den Raum schweifen … und erschrak.
Matt war da.
Er saß im Ohrensessel neben dem Kamin.
“Da bin ich … aber es ist verkehrt. Ich sollte nicht hier sein”, sagte er.
“Was?”, murmelte Leslie, die so verblüfft war, dass sie kaum dieses eine Wort herausbrachte.
“Tut mir leid, ist nicht so wichtig. Er hat übrigens recht.”
“Was?”
“Es war kein Unfall.”
“Matt, sprich mit mir. Sag mir, was du weißt.”
“Ich weiß gar nichts. Das ist ja mein Problem.”
Sie wollte aufstehen, verhedderte sich dabei im Bettlaken, und als sie sich endlich daraus befreit hatte und zum Sessel schaute, war von Matt nichts mehr zu sehen.
Es wirkte fast so, als sei diese Unterhaltung nur ein Teil ihres verzweifelten, sehnsüchtigen Traums gewesen.
7. KAPITEL
Ü berall war Staub und Erde. Joe vermochte nicht zu sagen, ob er in dem grauen und übel riechenden Raum, den er soeben betreten hatte, überhaupt irgendetwas hätte identifizieren können. Dennoch war er froh, hier zu sein, vor allem, weil Leslie ihn völlig begeistert angerufen und darauf bestanden hatte, er solle herkommen.
Die Polizeipräsenz rund um die Baustelle war deutlich verstärkt worden, und die Anzahl der Journalisten hatte ein außergewöhnliches Maß erreicht. Robert Adair war es zum Glück gelungen, sich einen Weg zu ihm zu bahnen, um dann mit ihm gemeinsam in den abgesperrten Teil zu gehen, wo sie in ein klaffendes Loch im Erdboden hatten klettern müssen. Trotz der aufgestellten Lampen hatte Joe einen Moment lang seine Orientierung verloren, als er den unterirdischen Raum betrat. Als er sich aufrichtete und tief atmete, war es nicht so sehr der Geruch des Todes, der seiner Nase zu schaffen machte, sondern vielmehr die abgestandene Luft mit ihrem erstickenden Gestank von Verwesung und Zerfall.
“Da bist du ja.”
Er erschrak, als Leslie auf ihn zustürmte und ihm um den Hals fiel. Sie war von Kopf bis Fuß mit Erde und Staub bedeckt, sodass er sie kaum wiedererkannte. Nur ihre Augen leuchteten ebenso strahlend wie bei ihrer ersten Begegnung. “Und?”
“Du hast einen Raum entdeckt”, sagte er und kam sich ein bisschen albern vor, nur das Offensichtliche in Worte fassen zu können.
Während Leslie über seine Bemerkung lachte, sah er Professor Laymon, Brad Verdun und einige Arbeiter und Helfer, die sich an der entlegenen Seite des Raumes drängten. Ganz im Gegensatz zu Joe war ihnen die Bedeutung dieser Entdeckung klar. Sie unterhielten sich aufgeregt und befreiten die Wand von weiterem Staub.
“Es ist eine Gruft”, erklärte sie.
“Eine Gruft?”
“1817 wurde hier auf dem Gelände eine Kirche errichtet”, führte sie aus. “Ein paar Jahre später brannte sie bei dem Feuer nieder, das einen großen Teil des alten New Yorks zerstörte. Danach wurden hier andere Gebäude gebaut und wieder abgerissen, bis Ende der Dreißigerjahre des letzten Jahrhunderts der Miniwolkenkratzer fertiggestellt wurde, der nun dem neuen Projekt weichen musste. Aber das ist der Beweis, dass wir etwas ganz Erstaunliches entdeckt haben. Sieh nur! Hier wurden die Priester und die wohlhabenden Bürger beigesetzt, weit weg von den armen Leuten auf dem Friedhof neben der Kirche. Wir haben Goldkreuze und andere episkopale Objekte gefunden … und sogar einen Lagerraum mit alten Büchern und Dokumenten. Ist das nicht toll?”
“Das ist großartig”, sagte er. “Und dein …”, er senkte unwillkürlich die Stimme, “… dein
Instinkt
hat dich hergeführt?”
Wieder musste sie von Herzen lachen. “Nein, ich hatte mich gegen etwas gelehnt, das ich für eine stabile Mauer hielt, und auf einmal gab sie nach.”
Ihm gefiel der Humor, der in ihren Augen aufblitzte.
Plötzlich stieß Professor Laymon einen begeisterten Schrei aus. “Nicht zu fassen! Das ist ein Versteck mit Predigten. Hier ist eine verborgene Nische. Passen Sie auf die Knochen auf!”, warnte er einige Helfer, die neugierig zu ihm nach vorn stürmten.
“Meinen Glückwunsch”, meinte Joe. “Und danke, dass du mich hergeholt hast.”
Ihm wurde
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