Hastings House
einen Unterschied.”
Eine Kellnerin namens Bridget kam an ihren Tisch. Sie hatte dunkles Haar, leuchtend grüne Augen und ebenfalls einen unüberhörbaren Akzent.
“Was möchtest du?”, fragte Joe an Leslie gewandt.
“Na, was denn schon? Kartoffelsuppe und Speck mit Kohl”, antwortete sie, während ihre Augen aufleuchteten.
“Für mich auch”, sagte er zu Bridget.
“Die Suppe kommt sofort”, versprach die Kellnerin freundlich.
“Ach, Bridget”, hielt Joe sie zurück. “Wie lange arbeiten Sie schon hier?”
“Oh … seit ich ins Land gekommen bin. Also etwas mehr als sechs Monate, würde ich sagen.”
Aus seiner Jackentasche zog er das Foto von Genevieve. “Kennen Sie diese junge Frau?”
“Ja, das ist Genevieve O’Brien.” Ein trauriger Ausdruck erschien in ihren Augen. “Ich kannte sie”, erklärte sie betrübt und sah Joe an. “Oh, Sie sind der Privatdetektiv, der nach ihr sucht, richtig? Für Mrs. Brideswell?”
Er nickte bestätigend. “Kam sie oft her?”
“Also das würde ich nicht sagen. Manchmal arbeitete sie in der Nähe, und wenn sie konnte, kam sie zum Mittagessen. Sie war sehr nett. Mir bricht es das Herz, wenn ich daran denke, was ihr alles passiert sein könnte.”
“Kam sie allein her?”
“Manchmal ja”, antwortete Bridget. “Manchmal brachte sie eine Frau mit, und sie waren … richtig herausgeputzt. Aber ich merkte es, wenn sie eine von den Frauen mitbrachte, die … na ja, ich glaube, man nennt sie hier ‘Bordsteinschwalben’. Sie versuchte immer, anderen Menschen ein besseres Leben zu ermöglichen.”
Joe nickte, während er sah, wie Leslie Bridget zuhörte und Mitgefühl für eine Frau zeigte, die sie nie kennengelernt hatte.
“Sie sitzen an ihrem Lieblingstisch”, erklärte Bridget.
“Tatsächlich?”, fragte Leslie.
“Oh ja. Sie nahm immer diesen Tisch – natürlich nur, wenn er frei war. Aber Mrs. O’Malley”, sie deutete auf die Frau, die sie an den Tisch geführt hatte, “sie hielt ihr diesen Platz oft frei, wenn sie dachte, Miss O’Brien würde vielleicht vorbeikommen. Die Familie war eine wichtige Stütze, seit ihr Schwiegervater, der ältere Mr. O’Malley, das Lokal eröffnete. Er ist jetzt im Ruhestand, sein Sohn hat den Pub übernommen. Und Mrs. O’Malley …”
“Hatte sie Verabredungen mit Männern?”, unterbrach Joe sie.
“Ich bin nur eine Kellnerin”, gab Bridget zurück.
Er lächelte sie freundlich an. “Trotzdem können Sie bemerkt haben, ob es einen Mann gab, mit dem sie öfters herkam. War sie je mit einem Mann hier?”
Bridget runzelte die Stirn. “Ein paarmal vielleicht.”
“Zum Mittagessen? Auf einen Cocktail? Zum Abendessen?”
“Sie kam ein paarmal in männlicher Begleitung. Einer von ihnen schien ihr Boss zu sein, und der andere … also, ich würde sagen, dass er ein Kollege von ihr war.” Sie grinste flüchtig. “Der eine Kerl sah verdammt gut aus. Der Boss … okay, er war nicht abgrundtief hässlich, aber ein ziemlich mürrischer Typ. Sie müssen mich jetzt bitte entschuldigen, ich muss das Essen servieren.”
Als sie gegangen war, fragte Leslie: “Glaubst du, sie ging mit jemandem aus, der sich als böse Überraschung entpuppt hat?”
Nachdenklich schüttelte er den Kopf und trank einen Schluck von dem Kaffee, den Bridget gebracht hatte, als sie die Bestellung aufnahm. “Nein, ich glaube, sie ist mit niemandem ausgegangen. Ich bin jetzt schon ziemlich lange in diesem Job, und ich habe meine Hausaufgaben gemacht. Ich sprach mit ihren alten Freundinnen, alten Flammen. Ihre ernsthafteste Beziehung war die zu einem Typ am College. Der zog nach Alaska, um dort Holzfäller zu werden, und ist seitdem nie wieder zurückgekommen. Sie hatte Schwierigkeiten mit ihrem Vater, wie ich weiß. Er gehörte zu der Sorte Vater, die ständig Perfektion verlangen. Die meiste Zeit seines Lebens dürfte er damit verbracht haben, gegen das Klischee des ‘faulen Iren’ anzukämpfen und der Welt zu beweisen, dass Iren ein intelligentes und hart arbeitendes Völkchen sind. Und deswegen musste Genevieve auf eine sorglose und unbeschwerte Kindheit verzichten.”
Leslie sah ihn abwartend an, während sie ebenfalls einen Schluck Kaffee trank.
“Trotzdem liebte sie ihn”, fuhr er fort. “Ich bin mir sicher, dass sie beim letzten Streit, als sie von zu Hause fortlief, nicht damit rechnete, ihn nie wieder zu sehen. Sicher hätte sie gern mit ihm Frieden geschlossen. Sie besaß einen ausgeprägten Familiensinn und
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