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Hastings House

Hastings House

Titel: Hastings House Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Heather Graham
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Kreischen der nächsten Bahn, die mit hoher Geschwindigkeit in die Station einfuhr.

12. KAPITEL
    J oe fand keinen Parkplatz vor der Bibliothek. Aber was hatte er auch anderes erwartet? Dies war schließlich New York.
    Doch das Gefühl einer drohenden Gefahr war so real, dass ihm die Straßenverkehrsordnung völlig egal war. Obwohl er wusste, wie schnell sein Wagen hier abgeschleppt werden würde, parkte er ihn in zweiter Reihe auf der Fifth Avenue. Er rannte die Stufen zur Bibliothek hinauf, vorbei an den würdevoll dreinblickenden Löwen, und stürmte ins Innere. An der Information musste er dann jedoch erfahren, dass er Leslie MacIntyre um wenige Augenblicke verpasst hatte. Bis vor wenigen Minuten war sie mit ihren Kopien beschäftigt gewesen und war dann sofort gegangen. “Um diese Zeit bekommt man so gut wie kein Taxi, deshalb wird sie vermutlich die U-Bahn genommen haben. Sie sagte mir, sie wolle zurück zum Hastings House.”
    Auf dem Weg nach draußen rief Joe ein knappes Danke über die Schulter und hetzte weiter in Richtung U-Bahn-Station. Auf dem Hinweg war ihm Leslie nicht begegnet. Folglich hatte er noch mehr wertvolle Zeit verloren. Unter Umständen saß sie bereits in einer Bahn und fuhr in Richtung Downtown.
    Eine Stimme in seinem Kopf spottete:
Ihr geht’s gut. Sie war in der Bibliothek, und du benimmst dich wie ein Verrückter. Sie ist längst auf dem Heimweg.
    Doch da war noch ein anderer Gedanke, der ihm zu schaffen machte.
    Begrabene Sünden.
    Sie war nicht auf dem Weg in eine Gruft, in ein dunkles Loch in der Erde. Jedenfalls nicht so richtig. Stattdessen würde sie die U-Bahn von New York City benutzen, mit der stündlich Tausende von Menschen unterwegs waren.
    Dennoch …
    Er sah den Eingang zur U-Bahn und lief die Treppe hinunter, wobei er Ausschau hielt nach den Hinweisschildern auf die Linien, die in Richtung Finanzbezirk fuhren. Mit einem Satz sprang er über das Drehkreuz und sagte sich wieder, dass er sich wie ein Verrückter gebärdete. Wunderbar. Sein Wagen wurde abgeschleppt, und wenn er so weitermachte, würde ihn das Bahn-Personal vermutlich noch festnehmen lassen.
    Während er sich durch die Menschenmenge schob, überkam ihn eine fast lähmende Angst, die umso stärker wurde, je näher er dem Bahnsteig kam.
    Von unten waren entsetzte Schreie zu hören, und er nahm zwei Stufen auf einmal, um schneller voranzukommen.
    Beweg dich!
    Innerhalb eines Sekundenbruchteils nahm Leslie erstaunlich viele Dinge gleichzeitig wahr. Da war das Vibrieren des Untergrunds. Die Stellen an ihrem Körper, an denen sich durch den Sturz blaue Flecke bildeten. Die eigenartige Haltung, in der sie auf dem Boden lag. Die Angst, sie könnte einen Stromschlag bekommen. Das Fiepen und Rascheln der Ratten, die die Tunnel bevölkerten …
    Und diese Stimme.
    Beweg dich!
    Sie konnte sich nicht bewegen! Sie war wie gelähmt, sie bekam keine Luft, und sie hatte Schmerzen.
    Beweg dich!
    Plötzlich griffen Hände nach ihr, echte, kraftvolle Hände, und zogen sie hoch.
    Matt …? Ja, es war Matt!
    Sie zwinkerte ein paarmal, dann stand sie aufrecht. Weitere Hände griffen nach ihr, packten sie und zerrten sie von den Schienen …
    Dann hatten sie es geschafft, und Leslie lag flach auf dem Bahnsteig. Sie hörte das Warnsignal der Bahn, spürte den Sog, als der Zug so dicht an ihr vorbei in die Station einfuhr, dass ihr Haar hochgewirbelt wurde und sie das Gefühl hatte, er würde ihr Gesicht berühren.
    Dann hörte sie andere Geräusche, aufgeregte Stimmen.
    “Mein Gott, hast du das gesehen? Sie wäre beinahe zerquetscht worden!”
    “Ein Glück, dass sie jemand raufgezogen hat!”
    “Sie ist doch selbst raufgekommen!”
    “Wie schrecklich, Harold. Ich sag’s ja immer wieder, es ist schrecklich. Die Leute drängeln und schubsen einfach rücksichtslos alles aus dem Weg.”
    “Die sollte man verhaften!”
    “Wen sollte man verhaften? Ich hab keinen gesehen, der sie gestoßen hat.”
    Leslie lag einfach nur da und rang nach Luft. Ihr Blick war starr zur Decke gerichtet, da sah sie auf einmal … Joe. Joe war da und beugte sich über sie. Sie versuchte ihn anzulächeln. Er wandte sich ab und schaute in die Richtung, aus der zwei Polizisten gelaufen kamen, die den Leuten zuriefen, sie sollten Platz machen.
    “Die Sanitäter sind unterwegs”, ließ sie einer der beiden Cops, ein junger Mann, wissen und hockte sich neben Joe.
    Leslie versuchte sich auf die Ellbogen aufzustützen, und sah Joe Hilfe suchend an.

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