Hasturs Erbe - 15
Kadetten. Wenn mir sogleich ein Ehrenposten angetragen wird, sieht es bestimmt so aus, als schlüge ich aus meiner Herkunft einen Vorteil, um mich vor dem zu drücken, was die anderen Kadetten zu tun haben. Danke für die Ehre, Kapitän, aber ich glaube, ich kann sie nicht annehmen.”
Dyan warf den Kopfzurück und lachte, und Regis schien es, als klänge das rauhe Lachen wie der tödliche Schrei eines Falken. Irgendwie war es wie ein Alptraum. Regis hatte das eindringliche Gefühl, es schon einmal erlebt zu haben.
Der Eindruck schwand so schnell, wie er gekommen war. Dyans Griff auf seiner Schulter lockerte sich.
„Ich schätze dich für diese Entscheidung, Vetter, und ich wage zu sagen, daß du recht hast. Du bist schon ein richtiger Diplomat. An deiner Antwort kann ich nichts Ehrenrühriges entdecken.”
Und wieder das wilde, raubvogelartige Lachen.
„Du kannst gehen, Kadett. Sag dem jungen MacArran, daß ich ihn sehen möchte.”
6
(Lew Altons Erzählung)
Vater blieb während der ersten Tage der Ratssitzungen bettlägerig, und ich war zu belastet und beschäftigt, um mich viel um die Kadetten kümmern zu können. Ich mußte an den Ratssitzungen teilnehmen, die sich zu diesem Zeitpunkt mit besonders langweiligen Handelsvereinbarungen mit den Trockenstädten befaßten. Doch zu einem fand ich die Zeit, nämlich dafür zu sorgen, daß die Treppe repariert wurde, ehe sich noch jemand dort den Hals oder ein Bein brach. Auch das war mühselig: Ich mußte mich tagelang mit Architekten und Bauunternehmern und Steinmetzen auseinandersetzen, die Kadetten husteten von morgens bis abends wegen des Staubs, und die Älteren murrten, weil sie einen Umweg gehen und eine andere Treppe benützen mußten.
Lange Zeit, bevor ich ihn für genesen hielt, bestand Vater darauf, seinen Sitz im Rat wieder einzunehmen, den ich gern räumte. Viel zu bald darauf kehrte er zu der Wache zurück. Sein Arm war noch in der Schlinge, und er sah schrecklich mitgenommen und bleich aus. Ich vermutete, er teilte meine Unsicherheit, wie es den Kadetten wohl in diesem Jahr ergehen würde, jedoch sagte er nichts darüber. Unaufhörlich nagte der Gedanke an mir. Ich war wegen Vater beunruhigt, machte mir aber auch meine ureigenen Sorgen. Wenn mein Vater frei entschieden hätte, Dyan Ardais zu vertrauen, wäre ich nicht so verwirrt gewesen. Doch ich hatte das Gefühl, daß auch er gezwungen wurde und daß Dyan es genoß, die Macht dazu zu haben.
Ein paar Tage später kam Gabriel Lanart-Hastur von Edelweiß mit der Nachricht zurück, daß Javanne Zwillinge, beides Mädchen, geboren habe, denen sie die Namen Ariel und Liriel gegeben hatten. Zusammen mit Gabriel schickte mich mein Vater auf einen Auftrag in die Berge, um ein neues System von Feuerwachtürmen einzuführen und die Feuerwachstationen zu inspizieren, die in den Tagen meines Großvaters errichtet worden waren, und um die Bergbewohner in neuen Feuerbekämpfungsmaßnahmen zu unterweisen. Diese Aufträge verlangen ein hohes Maß an Taktgefühl und einige Comyn-Autorität, denn es müssen Menschen zu einer friedlichen Zusammenarbeit überzeugt werden, die oftmals seit Generationen durch Familienfehden und Rivalitäten zerstritten sind. Die Feuerbekämpfung ist eine der ältesten Traditionen auf Darkover, doch in Gegenden, wo seit Jahren keine Waldbrände mehr aufgetreten sind, ist es schwer, die Menschen davon zu überzeugen, daß die Feuerbewachungsmaßnahmen ausgedehnt und die Feuerstationen und Wachtürme aufrechterhalten werden müssen.
Ich genoß die volle Autorität meines Vaters, und das half mir auch. Das Gesetz der Comyn geht über persönliche Fehden und Rivalitäten hinaus- oder sollte es zumindest. Ich hatte ein Dutzend Wachen für die körperlichen Arbeiten dabei, doch ich mußte die Redearbeit leisten, mußte überreden und besänftigen, wenn alte Fehden außer Kontrolle gerieten. Es bedurfte eines erheblichen Maßes an Takt und Mitdenken. Man mußte auch eine Menge über die verschiedenen Familien wissen, ihre erbliche Loyalität, ihre Heiraten und Interaktionen während der letzten sieben oder acht Generationen. Es war bereits Mittsommer, als ich zurück nach Thendara ritt, doch ich fühlte, ein gutes Stück weitergekommen zu sein. Jeder Schritt gegen die Bedrohung durch Waldbrände auf Darkover beeindruckt mich weitaus mehr als alle politischen Vervollkommnungen der letzten hundert Jahre. Das ist wirklich etwas, was wir der terranischen Präsenz auf Darkover verdanken: ein Zuwachs
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