Hasturs Erbe
aufrichtig zueinander gewesen wären, wie es die Ausbildung erforderte, besonders als ich merkte, wohin uns unsere undisziplinierten Gefühle trieben – zu Wut, Gewalt und Haß.
Wir hätten die Sharra niemals kontrollieren können. Aber wenn ich früher gemerkt hätte, was sich zwischen uns abspielte, hätte ich erkennen können, wie wir alle verändert und zerstört wurden.
Ich hatte bei allen versagt, bei meinen Verwandten und meinen Freunden, indem ich sie zu sehr liebte, um zuzulassen, daß sie sich mit dem verletzten, was sie selber waren.
Das Experiment lag in Trümmern, so edel Beltrans Träume auch gewesen sein mochten. Und jetzt mußte die Sharra-Matrix, koste es, was es wolle, abgeschirmt und anschließend zerstört werden. Aber noch einmal: Was wurde aus denen, die sich Sharra verschworen hatten?
Der Schnee fiel den ganzen Tag hindurch und die darauffolgende Nacht, und am nächsten Morgen schneite es immer noch. Hohe Schneewehen häuften sich um die Steingebäude. Ich hatte das Gefühl, wir sollten versuchen weiterzureiten, doch ich wußte gleichzeitig, daß dies Wahnsinn wäre. Die Pferde würden niemals durch diese Schneewehen gelangen. Doch wenn wir hier noch länger gefangen saßen, ohne Futter für sie, würden wir sie auch nicht mehr reiten können.
Es muß am nächsten Nachmittag gewesen sein – einige Vorgänge in dieser Zeit sind meinem Gedächtnis entschwunden –, als ich aus dem Schlaf hochschreckte, weil Marjorie angstvoll aufschrie. Die Tür sprang auf, und Kadarin stürmte herein. Ein halbes Dutzend von Beltrans Wachen bauten sich hinter ihm auf.
Ich griff nach meinem Schwert, war jedoch innerhalb von Sekunden hoffnungslos überwältigt. Mit einem schrecklichen Gefühl von unendlicher Wiederholung stand ich mich windend hilflos zwischen den Wachen. Marjorie war in eine Ecke zurückgewichen. Als Kadarin auf sie zuging, sagte ich mir, wenn er sie grob anfaßte, würde ich ihn töten. Doch er stellte sie nur sanft auf die Füße und legte ihr seinen Umhang um die Schultern, wobei er sagte: »Dummes Kind. Hast du geglaubt, wir würden dich so gehen lassen?« Er stieß sie in die Arme von zwei Wachsoldaten und sagte: »Bringt sie nach draußen. Tut ihr nicht weh. Behandelt sie sanft, aber laßt sie nicht entkommen, sonst verliert ihr eure Köpfe.«
»Führst du Krieg gegen Frauen? Kannst du es nicht von Mann zu Mann mit mir austragen?«
Er hielt immer noch mein Schwert, zuckte die Achseln und schleuderte es in eine Ecke. »Weg mit diesem Spielzeug aus dem Tal. Ich habe schon vor langer Zeit gelernt, meine Kämpfe mit vernünftigeren Waffen zu führen. Wenn du glaubst, ich würde Marjorie verletzen, dann bist du ein noch größerer Narr als ich je geglaubt hatte. Wir brauchen euch beide.«
»Glaubst du wirklich, ich würde noch einmal mit euch arbeiten? Nein, verdammt, lieber würde ich sterben.«
»O doch, das wirst du tun«, sagte er fast freundlich. »Heldentum zahlt sich nicht im geringsten aus, mein Junge.«
»Was habt ihr getan? Habt ihr gemerkt, daß ihr die Sharra allein nicht bewältigen könnt? Wie viele von euch hat sie zerstört, bevor ihr es herausgefunden habt?«
»Darüber habe ich dir keine Rechenschaft abzulegen«, sagte er mit unvermittelter Brutalität. Ich kämpfte kurz gegen die Männer, die mich festhielten, und stieß zugleich einen fürchterlichen gedanklichen Hieb aus. Man hatte mir immer gesagt, die ungezügelte Wut eines Altons könne töten. Man hatte mich diszipliniert, niemals, niemals meiner Wut freien Lauf zu lassen. Aber jetzt …
Ich entlud meine Wut, stellte mir meine Hände an Kadarins Kehle vor. Meine Gedanken überschütteten ihn mit Haß und Wut … ich fühlte wie er sich unter der Attacke wand, sah ihn erbleichen, in die Knie sacken …
»Schnell«, keuchte er, »schlagt ihn nieder …«
Eine Faust traf meinen Schädel. Dunkelheit fuhr in meinen Kopf. Ich fühlte, wie meine Glieder nachgaben und ich hilflos zwischen meinen Wächtern hing. Kadarin kam auf mich zu und übernahm selbst das Schlagen. Seine ringbewehrten Hände trafen hart in mein Gesicht, Schlag auf Schlag, bis ich in blutrotem Nebel niedersank. Dann merkte ich, wie sie mich in den Schneesturm hinausschleppten. Der eisige Hagel belebte mich ein wenig. Kadarins Gesicht schwamm in einem rötlichen Nebel vor meinen Augen.
»Ich will dich nicht töten, Lew. Komm bitte mit.«
Erstickt preßte ich zwischen den geschwollenen, blutenden Lippen hervor: »Töte mich besser … Tapferer
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