Hasturs Erbe
ich ihr die Spangen aus dem Haar und legte sie auf mein Bett.
Ich hatte geglaubt, ich hätte die Comyn hinter mir gelassen. Und jetzt starb ich, um Darkover in den Händen der Comyn zu belassen, den einzigen Händen, die unsere Welt sicher erhalten würden. Einen Augenblick lang umarmte ich Marjorie.
Ich war bereit zu sterben. Aber konnte ich mich dazu bringen, sie zu töten?
»Du mußt«, flüsterte sie. »Du weißt, wozu sie mich zwingen werden. Und was die Terraner daraufhin mit unserem Volk tun werden.«
So schön war sie mir noch nie erschienen. Ihr helles, flammenfarbenes Haar lag um ihre Schultern. Es reflektierte kleine Lichtblitze. Dann brach sie schluchzend zusammen. Ich nahm sie in den Arm und drückte sie so fest an mich, daß ich ihr schrecklich weh getan haben muß. Auch sie hielt mich mit aller Kraft und flüsterte: »Es ist die einzige Möglichkeit, Lew. Die einzige. Aber ich wollte nicht sterben, Lew. Ich wollte mit dir leben, mit dir in die Ebene gehen, ich wollte … wollte deine Kinder.«
Ich kann mir keinen Schmerz vorstellen, der dem in diesem Augenblick gleichkäme, als Marjorie schluchzend in meinen Armen lag und sagte, sie wolle Kinder von mir haben. Ich war froh, daß ich nicht mehr lange leben würde, um mich daran zu erinnern. Ich hoffte, die Toten hatten keine Erinnerungen …
Nur unser beider Tod stand zwischen unserer Welt und entsetzlicher Zerstörung. Ich nahm das Messer. Als ich es über meinen Finger gleiten ließ, sprang Blut hervor, und ich war unsäglich froh, daß es scharf wie eine Rasierklinge war.
Ich beugte mich über sie, um sie ein letztes Mal lange zu küssen. Dann sagte ich flüsternd: »Ich versuche … dir nicht weh zu tun, Liebste …« Sie schloß die Augen, lächelte und flüsterte: »Ich habe keine Angst.«
Einen Moment lang hielt ich inne, um eine ruhige Hand zu gewinnen, so daß ich es mit einem einzigen raschen Stoß hinter mich bringen konnte. Ich sah die dünne bläuliche Ader an ihrer Kehle pulsieren. In wenigen Augenblicken würden wir beide Frieden haben. Dann mochte Kadarin sein Schlimmstes geben …
Ein Schauder des Entsetzens ergriff mich. Wenn wir tot waren – war damit die letzte Kontrollmacht über die Sharra verschwunden? Kadarin würde sicher in den Flammen Sharras sterben. Aber die Feuer würden nicht mehr verlöschen. Sharra, einmal erweckt, würde weiter und weiter rasen und toben und unser Volk, unsere Welt verzehren …
Was kümmerte es uns? Die Toten ruhen in Frieden!
Und um uns einen schmerzlosen Tod zu gönnen, ließen wir unsere Welt von den Feuern Sharras vernichten?
Der Dolch entfiel meiner Hand. Er lag auf dem Laken zwischen uns. Doch für mich war er so weit entfernt, als läge er auf einem unserer Monde. Ich bereute bitterlich, daß ich nicht wenigstens Marjorie einen raschen, schmerzlosen Tod bereiten konnte. Sie hatte genug erlitten. Es war nur gerecht, daß ich lange genug lebte, um meinen Verrat durch Leid zu sühnen. Doch ohne ihre Fähigkeit als Bewahrerin würde ich nicht lange genug überstehen, um zu tun, was ich tun mußte.
Sie öffnete die Augen und sagte mit zitternder Stimme: »Warte nicht so lange, Lew. Mach schnell.«
Langsam schüttelte ich den Kopf.
»Wir können nicht den einfacheren Weg wählen. Liebste. Wir werden sterben. Doch wir müssen unseren Tod nutzen. Wir müssen das Tor zur Sharra schließen, bevor wir sterben, und die Matrix zerstören, wenn wir das können. Wir müssen es tun. Es gibt keine Hoffnung – du weißt das –, daß wir es überleben. Aber es gibt die Chance, daß wir lange genug leben, um das Tor zu schließen und unsere Welt vor der Zerstörung durch Sharras Feuer zu retten.«
Sie blickte mich mit vor Erschütterung und Entsetzen weit aufgerissenen Augen an. Flüsternd sagte sie: »Ich möchte lieber sterben.«
»Ich auch«, gab ich zurück, »aber einen so einfachen Weg gibt es für uns nicht, meine Liebste.«
Dieses Recht hatten wir verspielt. Ich blickte sehnsüchtig auf den kleinen Dolch und seine rasiermesserartige Schärfe. Schließlich nickte Marjorie zustimmend. Sie nahm den kleinen Dolch, ging zum Fenster und schleuderte ihn durch den schmalen offenen Spalt. Sie kam zurück und glitt neben mich. Mit bemüht ruhiger Stimme sagte sie: »Jetzt kann ich nicht mehr den Mut verlieren.« Dann bekam ihre Stimme, im Gegensatz zu den noch tränenfeuchten Augen, wieder den alten Anflug von Spott. »Immerhin werden wir noch eine Nacht in einem anständigen Bett
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