Hauch der Verdammnis
schloß, schreckte Kioki für einen Augenblick auf. Er bäumte sich auf und versuchte sich am Grabenrand hochzuziehen. Mit beiden Händen grub er sich in die Erde, ohne auf den bohrenden Schmerz in seiner Hand und auf das Blut zu achten, das aus seiner Wunde rann.
Seine Beine steckten im Schlamm wie in Zement. Kioki bekam kaum noch Luft, aber schließlich gelang es ihm, seine Beine aus dem Dreck zu ziehen. Er kroch die Böschung hoch und blieb erschöpft am Straßenrand liegen.
Alles tat ihm weh.
Er starrte in den Himmel und wartete darauf, dass es aufhörte, was immer es war. Er atmete rasselnd und abgehackt.
Vor seinen Augen verschwamm alles, und sein Magen krampfte sich zusammen. Er spürte, wie Übelkeit in ihm aufstieg, und fiel auf die Seite.
Als er sich erbrach, zuckte er so heftig hin und her, dass er wieder in den Bewässerungsgraben rutschte.
Diesmal hatte er nicht mehr die Kraft, sich hochzuziehen. Mit schwachen Händen versuchte er Halt zu finden, aber der Schmerz in Brust und Magen durchbohrte ihn. Um ihn herum drehte sich alles. Aus seinem Mund schoß ein weiterer Strahl Erbrochenes.
Wenige Minuten später starb Kioki Santoya, allein in der Dunkelheit der Zuckerrohrfelder.
Noch zehn Minuten.
Katharine würde noch zehn Minuten warten - bis die Uhr an dem Kaminsims genau Mitternacht zeigte -, bevor sie mit den Telefonaten begann.
Die Nummer des Maui Memorial Hospital hatte sie bereits aufgeschrieben, außerdem die der Hauptpolizeiwache in Wailuku und der Wache in Kihei. Die Nummer von Josh Malanis Eltern hatte sie nicht gefunden.
Ein Film - Michael hatte gesagt, sie wollten sich einen Film ansehen.
Eine völlig harmlose, normale Sache.
Aber sie wusste, warum sie sich Sorgen machte - wegen Josh Malani. Obwohl sie ihn kaum kannte und sich sagte, dass es nicht angemessen war, einen sechzehnjährigen Jungen nach dem ersten Eindruck zu beurteilen, sagte ihr Instinkt, dass dieser gutaussehende Teenager, dem Michael das Leben gerettet hatte, ein gefährlicher Umgang war. Er war ihr ziemlich überdreht vorgekommen, und die Tatsache, dass er allein tauchen gegangen war, bewies, dass es ihm offenbar an Vernunft mangelte. Und wer war noch bei Michael? Ein paar Jungen aus dem Laufteam.
Jungen, deren Namen er nicht einmal erwähnt hatte.
»Hätte es irgendeinen Unterschied gemacht, wenn er dir ihre Namen gesagt hätte?« hatte Rob ungerührt gefragt, ohne damit ihre Furcht vertreiben zu können. »Dann wüßtest du auch nicht mehr über sie.«
»Aber ich könnte ihre Eltern anrufen, wenn er sich wie jetzt verspätet!« Sie saßen in einem Restaurant einander gegenüber an einem Tisch und aßen zu Abend. Rob sah sie lächelnd an. »Darüber würde er sich bestimmt mächtig freuen. Teenager finden es ganz toll, wenn ihre Mütter bei ihren Freunden anrufen und fragen, wo sie bleiben. Außerdem sind wir hier auf Maui und nicht in New York. Ihm wird schon nichts passiert sein.«
Für den Rest des Essens und während der Heimfahrt hatte sie sich bemüht, ihre Sorgen nicht zu zeigen, aber als sie allein zu Hause und Michael nach einer Stunde noch immer nicht gekommen war, rief sie Rob an. »Gib ihm wenigstens noch bis halb zwölf«, lautete sein Rat. »Wenn er dann noch nicht da ist, ruf mich wieder an, und wir überlegen, was zu tun ist. Soll ich rüberkommen?«
»Nein«, seufzte Katharine. »Ich komme schon klar. Aber trotzdem danke.«
Sie hatte alles versucht, um ruhig zu bleiben, und sich gesagt, dass Michaels Verspätung viele Gründe haben konnte.
Der Film konnte länger dauern, als er angenommen hatte, oder das Kino weiter von Makawao entfernt sein, so dass der Heimweg länger dauerte. Schließlich kannten sie beide sich auf der Insel noch nicht aus, und wenn man sie gefragt hätte, wie lange die Fahrt von ihrem Haus bis Kihei dauere, hätte sie zugeben müssen, dass sie keine Ahnung hatte.
Aber um zwanzig vor zwölf glaubte sie nicht mehr an diese Gründe, und um viertel vor hatte sich ein Horrorbild in ihrem Kopf eingenistet.
Michael, eingeklemmt in einem Autowrack. Er versuchte sich zu befreien.
Als sich das Uhrwerk mit einem leisen Knirschen darauf vorbereitete, Mitternacht zu schlagen, griff Katharine zum Telefonhörer, um das Krankenhaus anzurufen. Aber noch bevor sie die erste Zahlentaste berührt hatte, wurde die Wand gegenüber dem Vorderfenster von Scheinwerferlicht erhellt. Ein Auto kam die Auffahrt hinunter.
Die Uhr schlug zwölf. Sie zog die Hand vom Hörer weg. Als Michael
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