Hauch der Verfuehrung
gewachsen fühle.«
Sie spielte mit ihrer Gabel, dann fuhr sie fort: »Die meisten sind zunächst verwirrt, scheinen bislang aber alle ... empfänglich dafür zu sein, ihre Ansicht zu überdenken. Ich glaube nicht, dass dem so wäre, wenn wir nicht ihre Vorurteile in Frage gestellt hätten.«
Lord Tregonning nickte wieder.
Gerrard bemerkte den verwirrten Ausdruck auf Mitchel Cunninghams Gesicht. Er hatte keine Ahnung, worüber sie sprachen; zweifellos würde er es bald herausfinden. Er wandte sich an Jacqueline und fragte: »Wie läuft dieser Sommerjagdball eigentlich genau ab?«
»Es ist ein ganz normaler Ball mit Musik und Tanz. Und dann gibt es natürlich noch ...« Sie umriss kurz die üblichen anderen Zerstreuungen: ein Kartenzimmer, einen Salon zum Plaudern. »Die Terrasse und die Gartenwege sind nachts mit Lämpchen beleuchtet.«
Von da aus lenkte Gerrard mit Barnabys Unterstützung erstmals die Konversation beim Essen auf Hellebore Hall auf ein allgemeineres Thema, nämlich die Vorzüge der Gegend hier.
Später in der Nacht stand Jacqueline an der Balkontür ihres Schlafzimmers und überlegte, ob Gerrard wohl malte. Von ihren Fenstern sah man auf den Garten der Demeter; sie konnte von hier aus nicht sagen, ob Licht aus den Fenstern des Ateliers fiel. Dennoch war sie sich sicher, dass er dort war, vor seiner Staffelei stand und den Hintergrund entwarf, vor dem ihre Unschuld erstrahlen würde.
Sogar letzte Nacht, als sie das Atelier verlassen hatte, hatte sie beim Umschauen gesehen, wie er sich wieder der Staffelei zuwandte, der Leinwand darauf - als würde er unwiderstehlich angezogen.
Seine Hingabe, mit der an dem Porträt arbeitete, wie völlig eingenommen er von dem Wunsch war, sie zu retten, berührte sie zutiefst und gab ihr neue Kraft.
Sie erinnerte sich sehr gut an alles, was zwischen ihnen letzte Nacht geschehen war. Dass er sie begehrte, daran zweifelte sie nicht - und sie ihn. Ihr Beweggrund, die Gelegenheit zu ergreifen, um herauszufinden, was es eigentlich bedeutete, einander zu begehren, hatte weiter Bestand. Doch sein Beharren darauf, dass sie sich bewusst für den Schritt entschied, der einer Erklärung uneingeschränkter Akzeptanz gleichkam ... Er hatte recht: Darüber musste sie wirklich gründlich nachdenken.
Er hatte gesagt, er wolle alles, alles, was sie war ... dass er sie ganz besitzen wolle. Das ging sehr weit - und sie wusste nicht recht, ob sie begriff, was genau alles mit dazugehörte.
Ihre Zustimmung bedeutete, sich ihm allgemein anzuvertrauen, aber gleichzeitig auch darauf zu vertrauen, dass er ihr niemals wehtun oder schaden würde, was auch immer dieses »alles« beinhalten mochte. In ihren wildesten Träumen glaubte sie zwar nicht, dass er je dazu imstande wäre, doch selbst wenn sie ihm so weit vertraute, indem sie ihm offen und unverhohlen dieses Vertrauen bezeugte, wie er es verlangte, wäre es hilfreich zu wissen, warum - warum er das von ihr wollte.
Warum war er, wie er es erwiesenermaßen ja war, so interessiert an ihr?
Die auf der Hand liegende Antwort lautete, dass er von ihr als seinem Modell fasziniert war. Berücksichtigte sie seine Begeisterungsfähigkeit, sie zu malen, und verglich sie seinen Enthusiasmus mit der konzentrierten Aufmerksamkeit, die er für sie an den Tag legte, wenn er sie in den Armen hielt, dann konnte sie nicht sagen, ob es die gleiche Kraft war - und sie hatte auch keine Ahnung, wie sie das herausfinden sollte.
Und lag ihr überhaupt wirklich daran zu erfahren, ob sein Interesse an ihr einzig und allein auf künstlerischer Faszination beruhte?
Diese Frage schlüpfte in ihre Überlegungen - eine weitere Frage, auf die sie keine Antwort wusste.
Die Minuten verstrichen, während sich ihre Gedanken darum drehten. Was wollte sie von ihm, was versprach sie sich von dem, was zwischen ihnen aufloderte?
Das wusste sie - sie wollte Erfahrung, körperlich, sinnlich und in allen Aspekten im Leben einer Frau, die ihr bislang wegen der Ereignisse der vergangenen Jahre verwehrt geblieben waren. Ganz schlicht gesagt: Sie wollte es wissen. Jetzt war er gekommen und bot ihr unerwartet die Gelegenheit, all das kennenzulernen. Wollte sie die Chance ergreifen?
Alle ihre Instinkte riefen »Ja!«, aber sie war ein vorsichtiger Mensch und wollte keine Entscheidung treffen, ohne ihren Verstand zu gebrauchen. Gab es einen Grund, weshalb sie seine Bedingungen nicht akzeptieren sollte?
Sie versuchte vorauszudenken, sich vorzustellen, wie eine Liaison mit
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