Hauch der Verfuehrung
konnte. Und außerdem war Horatia da. Als Patiences Schwiegermutter betrachtete sie ihn als eine Mischung aus Neffen und Enkel; ihr würde die Änderung in seinem gewohnten Vorgehensmuster sogleich auffallen, und sie würde die Neuigkeit verbreiten.
Neben ihm verlagerte Jacqueline ihr Gewicht; sie hakte sich bei ihm unter. »Lass uns ein wenig umherspazieren. Die meisten anderen tun das auch.«
Sie ging los; er blieb an ihrer Seite, nicht davon überzeugt, dass es eine gute Idee war, sich unter die wie Pfauen paradierenden Standesgenossen zu mischen. Aber sie war an seinem Arm; er konnte sie einfach weg...
Sie blieb abrupt stehen, drehte sich um und lächelte, lenkte die Aufmerksamkeit eines Pärchens in der Nähe auf sich. »Guten Abend.«
Gerrard schaute hin und stöhnte innerlich.
Zwei unverkennbar übereifrige Schritte brachten Perry Somerset, Lord Castleton, zu Jacqueline. Neben Perry war dessen gegenwärtige besondere Freundin Mrs. Lucy Atwell.
Hochgewachsen und auf vornehme Art gut aussehend, griff Perry nach Jacquelines Hand, blickte Gerrard auffordernd an: »Mach uns doch bitte bekannt, alter Freund.«
Gerrard kam der Aufforderung nach, wobei er insgeheim die Zähne zusammenbiss. Perry machte eine elegante Verbeugung.
Lucy und Jacqueline nickten einander höflich zu.
»Ich bin entzückt, Sie kennenzulernen, Miss Tregonning.« Lucys schöne Augen glitten über Jacquelines Kleid. »Ich muss Ihnen zu Ihrer Erscheinung gratulieren - Cerise?«
»Nein, Celeste.«
»Ah!« Lucy warf Gerrard einen abschätzenden Blick zu. »Ich habe gehört, Mr. Debbington hat einen erhöhten Verbrauch an Lampenöl - weil er so hingebungsvoll an Ihrem fabelhaften Porträt arbeitet. Finden Sie es schwierig, seinen Anforderungen gerecht zu werden?«
»Nein, gar nicht.« Jacquelines Lächeln war selbstsicher. »Ich genieße es geradezu.«
»Ach, wirklich?« Lucys Brauen hoben sich, und der Blick, den sie ihm sandte, war wissend. Sie wusste, dass er vor Jacqueline nur Familienmitglieder gemalt hatte; sie suchte nach einem Grund - dem offensichtlichsten Grund weshalb er nun Jacqueline malte, sie selbst jedoch abgewiesen hatte, obwohl sie von atemberaubender Schönheit war.
Ehe Gerrard das Gespräch in sicherere Gewässer steuern konnte, fragte Perry, ob sie die Kew Gardens schon gesehen habe.
Das war eine so seltsame Frage für einen Lebemann wie Perry, der nur selten die Sonne zu Gesicht bekam, dass ihn sowohl Gerrard als auch Lucy verblüfft anschauten.
»Nein«, erwiderte Jacqueline fröhlich. »Aber ich habe gehört, sie seien beeindruckend.«
»Ich habe dasselbe über die Gärten bei Ihnen zu Hause gehört«, erwiderte Perry. »Vielleicht würden Sie sich die Kew Gardens an einem der nächsten Nachmittage gerne einmal ansehen - so zum Vergleich?«
»Nein.« Gerrard legte seine Hand über die von Jacqueline auf seinem Ärmel. »Ich fürchte, dazu haben wir keine Zeit - die Sitzungen sind doch recht anstrengend.«
Jacqueline schaute ihn an. »Aber am Nachmittag sitze ich doch gar nicht Modell.«
»Morgen aber schon«, erklärte Gerrard fest.
»Aber ...«
»Und das Letzte, was wir momentan gebrauchen könnten, wären neue Sommersprossen.«
Das brachte ihm einen empörten Blick von ihr ein. Sie hatte keine einzige Sommersprosse, nirgendwo - und das wusste er genau.
Geigentöne klangen durch den Saal.
»Vielleicht ein andermal«, sagte Perry unbekümmert. »In der Zwischenzeit wäre ich entzückt, wenn Sie mir die Ehre erweisen würden ...«
»Ich fürchte, ich komme vor Ihnen, alter Junge.« Gerrard schloss seine Finger fest um Jacquelines Hand. Er fixierte ihren Blick, hob ihre Hand an seine Lippen. »Mein Tanz, glaube ich.«
Sie erwog - ernsthaft -, ihn abzuweisen. Das sah er in ihren Augen. Was sie im Gegenzug in seinen sah, das Gefühl, das darin aufloderte, überzeugte sie offensichtlich, gute Miene zum bösen Spiel zu machen.
Er wandte sich wieder an Perry und Lucy. »Wenn Sie uns entschuldigen ...«
»Natürlich.« Lucy erdolchte Perry schier mit ihren Blicken, dem das noch gar nicht aufgefallen war.
Gerrard führte Jacqueline auf die Tanzfläche, zog sie in seine Arme und mischte sich unter anderen Tänzer. Wenn er klug war, würde er sich jede Bemerkung verkneifen. Schließlich - was sollte er auch sagen?
»Woher dieser plötzliche Wunsch, mit Fremden Umgang zu suchen?« Selbst in seinen eigenen Ohren klang die Frage albern; schlimmer, sein Tonfall war aufgebracht.
Er war nicht wirklich
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