Hauch der Verfuehrung
Lippen, dann schloss sich ihr Mund um ihn. Das Streicheln ihrer Hände, der Geruch der schwülen Nacht. Ihr kühles, seidiges Haar auf seiner Haut.
Er holte erzitternd Luft, aber es war nicht genug, um den Schwindel zu besiegen. Blindlings griff er nach ihr, hielt ihren Kopf, während er sich hilflos ihrem Rhythmus überließ.
Der Musik, die sie beide einhüllte.
Lustwellen breiteten sich in ihm aus; Äonen vergingen, während sie spielte, ehe sie auf sein fiebriges Drängen hin sich aufrichtete, sich rittlings auf ihn setzte, ihn in sich aufnahm.
Es gab kein Halten mehr - die Leidenschaft riss sie beide mit sich fort. Ihre Körper vereinten sich in einem gnadenlosen uralten Tanz.
In vollkommener Hingabe.
Sie kam auf dem Mondlicht, glitt flüsternd durch ihre Seelen und nahm sie mit.
Und ließ sie befriedigt und erschöpft zusammen auf den zerwühlten Laken seines Bettes.
Am nächsten Morgen wachte er auf, weil ihm die Sonne ins Gesicht schien.
Lächelnd schwelgte er in Erinnerungen.
Er lag auf dem Rücken, nackt auf dem Bett im Alkoven.
Nie zuvor hatte er sich auf so dekadente Weise lebendig gefühlt.
Seine Lippen verzogen sich, er hob den Kopf und sah sich um.
Sie war nicht mehr da, aber ihr Geruch hing noch in der Luft. Ihr Geschmack lag noch auf seinen Lippen. Vage erinnerte er sich daran, dass sie geflüstert hatte, sie müsse zurück in ihr Zimmer, er solle aber hierbleiben und schlafen.
In den Stunden davor hatten sie auf Schlaf verzichtet, zu groß war ihre Gier aufeinander. In der Hitze der Nacht waren sie in Flammen aufgegangen.
Ihr hingebungsvolles Liebesspiel war von erschütternder Süße gewesen.
Er schwang seine Beine über die Bettkante und setzte sich auf. Er fuhr sich mit den Händen übers Gesicht, dann fiel es ihm wieder ein. Er erhob sich vom Bett und ging durch den Vorhang ins Atelier. Zu dem Porträt, das bis ins letzte Detail fertig auf der Staffelei stand.
Es war vollendet, und es war, wie er es immer schon gewusst hatte, das Beste, was er bislang erschaffen hatte.
Triumph wallte in ihm auf, doch es war nicht einfach nur die Freude darüber, etwas geschafft zu haben, der Stolz auf ein gelungenes Bild. Es ging viel tiefer, entsprang einer grundlegenderen Quelle.
Nach der letzten Nacht wusste er, was sie für ihn empfand. In ihrer Vereinigung hatten Glück und das Gefühl von Richtigkeit gelegen, die sie wahrgenommen hatte, zur Kenntnis genommen und mit offenen Armen willkommen geheißen hatte.
Alle Probleme lösten sich wunschgemäß.
Sie liebte ihn. Sie würde ihn heiraten.
Er musste nur noch das Porträt nach Cornwall bringen, die Gespenster der Vergangenheit vertreiben und möglichst den Mörder entlarven - und sie befreien.
Die Zukunft danach gehörte nicht ihm, sondern ihnen gemeinsam.
Er wandte sich ab und ging zur Klingelschnur, läutete nach Masters.
Jacqueline schlief lange. Nachdem sie aufgestanden war und ein neues Kleid aus gemustertem Musselin angezogen hatte, verzehrte sie ein leichtes Frühstück in ihrem Zimmer, dann ging sie nach unten.
Minnie, Timms und Millicent waren im Salon, hatten die Köpfe zusammengesteckt und besprachen die Arrangements des Abends. Als sie erfahren hatten, dass das Portrat spätestens heute fertiggestellt werden würde und Gerrard entschlossen war, es so schnell wie möglich nach Cornwall zu bringen, hatte Millicent, bestärkt von Timms und Minnie, erklärt, sie wolle zum Abschied ein Dinner für alle Mitglieder seiner Familie geben, die ihnen während ihres Aufenthaltes hier geholfen und sie so freundlich unterstützt hatten.
Und natürlich sollte das Porträt auch enthüllt werden -in gewisser Weise als Belohnung.
Gerrard hatte zwar eine Grimasse geschnitten, aber zu ihrer Überraschung eingewilligt. Ihr gegenüber erklärte er: »Ich bin gespannt, wie sie reagieren werden.«
Patience und Vane hatten bereits die Stadt verlassen, aber die meisten anderen, die sich sofort bereit erklärt hatten, alles in ihrer Macht Stehende zu tun, um zu helfen, weilten noch in London, auch wenn sie in den nächsten Tagen die Abreise auf ihre Landsitze planten.
Jacqueline vergewisserte sich, dass Gerrard heute noch nicht unten gewesen war. Sie hörte sich die Gästeliste an, machte ein paar Vorschläge zu dem Sitzplan, über den die drei älteren Damen sich den Kopf zerbrachen, dann entschuldigte sie sich und ging.
Sie stieg die Treppe zum Atelier hinauf und fragte sich, ob Gerrard wohl immer noch schlief. Auf dem Weg nach oben hörte
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