Hauptsache, es knallt!
ist jetzt irgendwie ziemlich wichtig.
Die beiden fangen an zu reden.
»Ach nee, die olle Wiese!«
»Na so was, der Schnitzki!«
Ich bekreuzige mich. Nicht, weil ich mir Hilfe von oben erwarte, sondern weil ich hoffe, dass die beiden das sehen. Kirchenvorraum plus Anwesenheit eines Gläubigen, das sollte doch wohl reichen, damit sie keinen Stress machen, oder? Sie gucken aber gar nicht in meine Richtung. Sie drehen ihre Köpfe von mir weg und sehen in die Kirche hinein, wo gerade die letzten Takte des Einzugsmarsches georgelt werden.
Dann schauen sie sich wieder an.
Und dann fangen sie plötzlich an zu kichern. Ja, kichern. Beide. Wäre ich anders drauf, würde ich jetzt von einem Wunder sprechen, aber irgendwie hat es schon seine Logik. Nehmen wir an, Darth Vader und Darth Sidious treffen sich nach langer, langer Zeit ganz plötzlich zufällig auf einem völlig unbedeutenden Planeten im Outer Rim wieder, und das ausgerechnet im Vorraum einer Kirche, in der gerade eine Hochzeit beginnt. Jede Wette, sie würden auch kichern.
Aber man fragt sich natürlich, wie geht es weiter? Kurz gekichert und dann zurück zum Ernst des Lebens? Welche Kampftechniken sind zugelassen? Haben sie Waffen? Aber nein, sieh an, nun geschieht doch noch so etwas wie ein kleines Wunder. Wenn Typen wie Sven und Maik auf einmal so etwas Feines wie Ironie für sich entdecken, finde ich jedenfalls schon, dass man von einem Wunder sprechen kann.
Maik nimmt das Gesangbuch und drückt es Sven in die Hand.
»Bitte schön, der Herr. Sie waren vor mir dran.«
»Aber nein, Sie können es sicher besser gebrauchen.«
»Ich bestehe darauf.«
»Mein Gewissen! Es wird mich den ganzen Tag plagen!«
Junge, Junge, Talent haben sie ja schon. Aber worauf läuft das hinaus? Ich stehe immer noch mit eingezogenem Kopf hinter den beiden und bekreuzige mich in Endlosschleife. Die Orgel spielt den Schlussakkord. Ich wage es nicht zu atmen.
»Wissen Sie was? Wir schauen einfach zusammen rein. Was halten Sie von diesem Vorschlag, Herr Wiese?«
»Sie sind ein kluger Mann, Schnitzki.«
Und wenn man den beiden nun wirklich unbedingt etwas vorwerfen will, dann höchstens, dass sie laut kichern, während sie nebeneinander in der hintersten Reihe Platz nehmen. Ich selbst kichere natürlich nicht. Ich muss schließlich fast ganz nach vorne zur Bank der Hochzeitsrettergruppe. Henriette zischt: »Na endlich!« Schön, wenn sie keine anderen Sorgen hat. Kaum habe ich mich gesetzt, erklingt schon das Brautlied. Ein paar bange Momente, aber dann betritt Nashashuk Ziegler mit seiner Tochter Janina am Arm die Kirche. Ein Schmuckstück von einem Brautvater, muss man wirklich noch mal sagen. Er hat sich mit einem großartig sitzenden schwarzen Smoking und weinrotem Kummerbund ausstatten lassen. Dazu seine kräftigen halblangen Haare und sein Bart, man könnte ihn sofort für einen italienischen Opernstar halten. Und kann man sich einen schöneren Brautvater vorstellen als einen italienischen Opernstar? Absolut perfekt macht ihn aber sein Lächeln. Jeder kann es sehen: Er freut sich. Und eine Ruhe und Zufriedenheit strahlt er aus, beneidenswert. Jeder Mann im Raum wünscht sich, auch so zu werden, wenn er älter ist. Vielleicht sollte man sich doch mehr mit indianischen Weisheiten beschäftigen? Oder klappt das nur, wenn man sich auch »Nashashnishnuirgendwas« nennt?
Hin und wieder schaut er zu Janina und lächelt sie an. Sie lächelt zurück, dankbar, dass er in diesem Moment Stütze, ruhender Pol und sonst noch ganz viel positives Zeug für sie ist. Markus hat es da bei weitem nicht so gut. Sein Vater sitzt zusammengesunken neben ihm und versucht sich seine Angst nicht anmerken zu lassen. Manchmal betrachtet er seinen stattlichen Bräutigam-Sohn von der Seite und versucht sich an diesem Anblick aufzurichten, aber im nächsten Moment packt ihn wieder die Angst. Und ich bin der Einzige im Raum, der weiß, warum.
Eineinhalb Minuten
Es ist nicht einfach, so zu predigen, dass alle etwas verstehen. Wie gesagt, in so einer alten Kirche hallt es immer fürchterlich nach. Wenn man die Sätze auch in der letzten Reihe noch mitkriegen soll, ist es wichtig, dass der Redner genug Pausen macht. Sonst vermischen sich die neuen Worte mit den Echos der alten, und am Ende hat man nur noch wirren Wortbrei. Aber wenn so ein Pfarrer jahrein, jahraus in der gleichen Kirche predigt, dann hat er den Bogen natürlich raus. Der weiß auf die Hundertstelsekunde genau, wie er seine Worte
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