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Hauptsache, es knallt!

Hauptsache, es knallt!

Titel: Hauptsache, es knallt! Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Matthias Sachau
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setzen muss, damit sie ankommen. Pfarrer Kühlbrodt zum Beispiel. Der beherrscht seine Walchenauer Kirche wie der Schlagwerker der Berliner Philharmoniker seine Kesselpauken. Jedes Wort ein Donnerhall, jeder Satz wie in die Luft gemeißelt.
    »Sie, liebe Janina, und Sie, lieber Markus, Sie schließen heute einen Vertrag miteinander ab. Ja, das ist so, auch wenn wir das Wort Vertrag vielleicht gar nicht so gern mögen. Doch woher kommt das? Ist ein Vertrag nicht etwas Positives? Etwas, das man schwarz auf weiß hat? Etwas, auf das man sich verlassen kann? Etwas, das man ›getrost nach Hause tragen kann‹, wie der Dichter sagt?
    Allzu oft lernen wir in unserem heutigen Leben Verträge von ihrer negativen Seite kennen. Verträge, bei denen einer seinen Vorteil zum Nachteil des anderen sucht. Verträge, bei denen der eine die Gutgläubigkeit des anderen ausnutzt. Verträge, bei denen der eine den anderen rücksichtslos über den Tisch zieht und sich dar­über auch noch freut. ›Was willst du?‹, ruft er aus. ›Du hast den Vertrag doch gelesen, du hast ihn unterschrieben. Alles ist rechtens. Gib mir, was mir zusteht, und geh deiner Wege.‹Und er lacht, während der andere voll Wut und Trauer ist. Und nicht die Wut über den erlittenen Nachteil ist das Schlimmste. Es ist die Enttäuschung: ›Du, mein Mitmensch, hast einen Vertrag, der doch eigentlich ein Instrument des Friedens sein soll, als Waffe gegen mich benutzt. Wie soll ich dir jemals wieder vertrauen?‹
    Ja, liebes Brautpaar, solche Verträge werden Tag für Tag in unserer Welt geschlossen. Und auch wenn wir uns das nicht vorstellen wollen, es gibt Menschen, die ihren Lebensunterhalt von solchen Verträgen bestreiten. Denken wir einmal kurz darüber nach. Was muss das für ein Leben sein? Tief im Herzen das Bewusstsein, dass man das Vertrauen seiner Mitmenschen missbraucht? Dass man auf Kosten seiner Mitmenschen lebt? Dass man durch sein niederträchtiges Handeln die Saat für Zorn und Misstrauen in andere Herzen einbringt? Und die stetige Angst, dass das, was man getan hat, eines Tages auf einen zurückfällt?«
    Markus scheint die Predigt zu begeistern. Er nickt zu jedem Satz. Schon klar. Im internationalen Vakuumbusiness kann man sich keinen schlechten Ruf leisten. Da will man seine Kunden langfristig an sich binden. Da schließt man auch mal Verträge ab, die einem Willkommensgeschenk gleichkommen. Und mit jedem Mal, wenn Markus nickt, wird sein Vater ein Stück kleiner. Pfarrer Kühlbrodt kennt aber auch wirklich keine Gnade. Er beleuchtet alle Aspekte des Themas unlau­terer Vertrag bis in den letzten Winkel. Und wirklich brillant, wie er immer wieder von einem Gedanken zum nächsten überleitet. Er muss lange an dieser Predigt gesessen haben. Auch die anderen Kirchenbesucher fühlen sich angesprochen. Immer wieder irgendwo ein zustimmendes Nicken und Luftholen. Ich glaube zwar, dass die Leute mehr so an ihre Miet-, Kredit- und Sonstwasverträge denken und keiner einen gedanklichen Bogen zum Autohaus Mitscherlich schlägt. Trotzdem muss sich Markus’ Vater gerade wie der einsamste Mensch der Welt fühlen.
    Aber ich finde, er ist noch gut davongekommen. Ich meine, 15 000 Euro Restwert für einen Opel Astra? Da hätte er sich auch nicht beklagen dürfen, wenn Pfarrer Kühlbrodt die Menge zum Lynchmord aufgerufen hätte.
    »Doch keine Angst, liebe Janina, lieber Markus, der Vertrag, den ihr beiden heute miteinander eingeht, ist von anderer Art. Genau genommen seid ihr ihn schon lange, bevor ihr diese Kirche betreten habt, miteinander eingegangen. Es ist kein Vertrag, bei dem einer von euch beiden einen unlauteren Vorteil für sich herausholen will. Und es ist auch kein Vertrag, mit dem der eine den anderen knechten und fesseln will. Kein Vertrag der Niedertracht, kein Vertrag mit Hintergedanken, kein Vertrag, den man von einem Fachmann prüfen lassen müsste. Nein, es ist ein Vertrag des Vertrauens, des Wohlwollens und der Güte, kurz gesagt – ein Vertrag der Liebe. Den seid ihr eingegangen, und ihr wollt ihn heute mit eurem Jawort vor Gott und der ganzen Welt besiegeln. Es bleibt mir nur noch eins zu sagen: Was für eine Freude! Und nun lasst uns, bevor wir zur Zeremonie kommen, noch ein Lied anstimmen.«
    Gut gegeben, Kühlbrodt! Wir singen:
    » Lass unsre Liebe ohne Wanken, die Treue lass beständig sein.
    Halt uns in Worten und Gedanken von Zorn, Betrug und Lüge rein.
    Lass einen für den andern stehn, gib Augen, seine Last zu sehn. «
    Haha,

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