Hauptsache, es knallt!
Stimme. Na klar, warum nicht. Bevor ich mich von Herrn Mitscherlichs schlechter Laune anstecken lasse, empfehle ich mich lieber. Wenige Augenblicke später zappeln Sinja und ich voreinander herum. Sie versucht die Musik zu fühlen, ich versuche mich jung zu fühlen. Sie kriegt ihre Sache besser hin.
»Wie geht es deinem Kopf, Sinja?«
Die Schramme blutet nicht mehr, aber man sieht sie immer noch deutlich.
»Dem Kopf geht es gut. Die Frage ist, was das alles bedeutet.«
»Das mit dem Brautstrauß? Ach komm, das bedeutet gar nichts. So was braucht man doch nicht ernst nehmen.«
»Ich glaube, es bedeutet, dass ich heute meine Unschuld verlieren werde.«
Wie bitte? Wenn sie dabei wenigstens lachen würde. Aber sie meint es bierernst. Und die Schramme auf ihrer Stirn starrt mich dazu an wie ein drittes Auge. Ohne es zu wollen, versuche ich Sinjas Alter zu schätzen. Auch wenn ich alle Augen zudrücke, mehr als sechzehn Jahre kommen nicht heraus. Und ich sehe hier auch keinen Kandidaten, in den Sinja irgendwie verliebt zu sein scheint. Macht mir irgendwie ein flaues Gefühl. Anderes Thema.
»Habt ihr denn noch das goldene Vlies geangelt?«
»Heute war nicht der vorherbestimmte Tag. Wusste ich zwar schon vorher, aber es hat trotzdem Spaß gemacht.«
»Verstehe.«
Großtante Gerlinde und ihr entblößtes Hinterteil tanzen an uns vorbei. In den vergangenen Minuten hat noch so mancher versucht, ihr unauffällig am Rock zu zupfen, damit er wieder so fällt, wie es sich gehört, aber das verflixte Ding hängt weiter in ihrem Schlüpfer, als wäre es festgetackert.
»Ich mache mir Sorgen, Tim.«
»Hm? Oh ja, ich mache mir auch Sorgen, Sinja. Wenn Tante Gerlinde das mit ihrem Rock bemerken sollte, wird sie einen Herzinfarkt kriegen. Und sie wird uns hassen, weil wir es ihr die ganze Zeit nicht gesagt haben. Und im Foyer steht der große Spiegel. Es ist nur eine Frage der Zeit, bis …«
»Vielleicht findet sie es auch lustig. Mir macht was anderes mehr Sorgen.«
»Was denn?«
»Die zweite Braut.«
»Die Betrunkene mit ihren drei Entführer-Knalltüten? Die sind doch jetzt sicher in ihrem Zimmer verstaut und warten auf den Bräutigam.«
»Aber nun sind zwei Bräute im Haus.«
»Na und? … Oh, ich verstehe, zwei ist nicht gut?«
»Genau. Es dürfte nur eine sein.«
»Klar, aber …«
»Oder drei.«
»Drei Bräute?«
»Hauptsache, nicht zwei. Das kann Unglück bringen. Wirklich.«
Und als wollte der Himmel mir zeigen, dass Sinja völlig recht hat, kommt Henriette in diesem Moment herangestürzt. Sie ist kreidebleich.
»Tim!«
»Einsatzbereit! Was ist los?«
Meine Güte! Um jemanden wie Henriette dermaßen aus der Fassung zu bringen, muss man normalerweise eine Naturkatastrophe organisieren.
»Der Bananentanz! Wir wissen jetzt, was es ist!«
»Oh. Schlimm?«
Sie nickt. Es ist dieses Nicken, das man aus Katastrophenfilmen kennt. Als Antwort auf die Frage: »Sind sie alle tot?« Mir läuft ein Schauer über den Rücken. Sie führt mich in den Salon nebenan. Meine Piratencrew bevölkert eine Sitzgruppe rund um ein verschnörkeltes Tischlein herum und hängt in den Seilen. Bülent nimmt seine letzten Kräfte zusammen, um mir das Unheil in seinem gesamten Ausmaß zu schildern. Sein Körper ist zusammengesunken, seine Worte klingen matt, von dumpfer Verzweiflung durchwebt. Aber man kann sie dennoch deutlich verstehen. Zu deutlich.
»Ich habe den Bananentanz auf hochzeitsjux.de gefunden. Es geht so: Die Musik wird aufgedreht, und alle müssen tanzen. Und einer muss sich eine Banane in den Schritt klemmen und mit der Banane im Schritt tanzen. Und dann muss er versuchen, die Banane jemand anderem tanzend in den Schritt zu übergeben. Ohne die Hände zu Hilfe zu nehmen und ohne dass die Banane herunterfällt. Und das ist dann unheimlich lustig, weil es natürlich so aussieht, als ob …«
»Danke, reicht. Ich möchte jetzt gehen.«
»Ich auch.«
»Wenn ich das mit ansehen muss, sterbe ich.«
Henriette haut auf den Tisch.
»Jetzt reißt euch zusammen! Wir finden eine Lösung. Zwei äußerst gefährliche Leute sind wild entschlossen, in den nächsten Stunden diesen Bananentanz anzuzetteln. Wir müssen das verhindern, und wir werden es verhindern. Die Frage ist nur wie? Ich brauche Vorschläge.«
Unsere Anführerin mal wieder. Als ob uns Reden hier noch weiter bringt. Die einzige Lösung wäre vermutlich, Diethart Füllkrug zum ersten Mal in seinem Leben richtigen Sex zu verschaffen. Und Tante Otti
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