Hauptsache, es knallt!
meine Gabel voll. Ob mir der kalte Flachfisch geschmeckt hätte, werde ich allerdings nie erfahren. Der Bissen kommt nicht in meinem Mund an. Füllkrug und Tante Otti sind nämlich im selben Moment aufgestanden und haben sich in der Mitte des Raums aufgebaut.
»Liebe Leute, die charmante Otti und ich, mer han uns wat überlegt. Mer han uns jetz alle die Bäuche volljehaue. Und damit mer wieder Appetit op den Nachtisch kriegen, brauchen mer vorher e bissche Bewegung.«
»Genau, Diethart. Steht schon mal alle auf und verteilt euch im Raum. Ich erkläre kurz die Regeln. Das Spiel heißt Bananentanz.«
UH! AH!
Bananentanz! Es ist so weit!
Jeder weiß, was er zu tun hat. Bülent springt hinter das DJ-Pult und stößt den Gast zur Seite, der gerade Tante Ottis Stimmungslieder-CD anwerfen will. In Bruchteilen von Sekunden legt er stattdessen Manu Dibango auf. Irgend so ein Stück mit vielen afrikanischen Kriegstrommeln. Alle anderen Gäste tun genau das, was wir ihnen gesagt haben: Sie ziehen die Bananen heraus, die Jil besorgt hat und die wir heimlich ausgeteilt haben. Wir bilden einen Kreis um Otti und Füllkrug. Die Einzigen, die sich raushalten, sind der Brauttisch, Frau von Weckenpitz, Herr Unzicker und Vladimir. Ich sehe an den Gesten meines falschen Grafen, dass er gerade hastig das Thema Spritztour mit dem Porsche anschneidet. Hoffentlich springt die Weckenpitz darauf an. Das, was hier jetzt gleich passieren wird, ist nämlich gar nicht gut für ihre Augen.
Die afrikanischen Trommeln tönen so laut, dass selbst der Donner da draußen ein bisschen staunt. Mein Team und ich stehen in vorderster Reihe, Auge in Auge mit Füllkrug und Tante Otti, denen gerade das Lachen vergangen ist. Wir vollführen wilde Tanzschritte zur lauten Musik. Wenige Sekunden später macht der gesamte Menschenpulk um uns herum mit. Alle im Takt. Die Schritte krachen laut auf dem blanken Parkett. Unsere Bananen halten wir bedrohlich in die Höhe gereckt, wie Buschkrieger ihre Lanzen. Sehr schön, fast noch besser, als ich es mir vorgestellt habe. Jetzt kriegen sie ihren Bananentanz, aber einen echten! Hm, irgendwie reicht mir das noch nicht. Ich fange an, laut im Rhythmus »Uh! Ah!« zu schreien. Und wieder zieren sich die anderen nicht lange und machen mit. Unser Kreis schließt sich immer enger um die beiden Spaßvögel.
»UH! AH! UH! AH!«
Nein, sie finden unsere Version des Bananentanzes nicht so spaßig. Spaß ist ja eigentlich ganz prima, aber das hier ist halt nicht ihr Spaß. Im Gegenteil, das hier ist ein Spaß auf ihre Kosten. Und auch noch ein ziemlich bedrohlicher Spaß. Unser Geschrei füllt den ganzen Raum, und wo die beiden auch hinsehen, überall sind verrückte Bananenkrieger, die näher und näher vorrücken. Und wer sagt, dass das wirklich nur ein Spaß ist? Wer sagt, dass sie nicht alle auf einmal ihre wilde Urmenschen-Natur zeigen? Wie wird das enden? Das sind die großen Fragen, die Füllkrug und Tante Otti in diesen Momenten auf ihre Gesichter tätowiert vor sich her tragen.
Tja, wie wird das enden? Eine gute Frage. Das Ende ist der große Schwachpunkt in unserem Bananentanz-Plan. Unser Bananentanz hat nämlich kein richtiges Ende. Oder sagen wir so, er hat ein viel zu harmloses Ende. Die Menge soll sich einfach verausgaben und wieder hinsetzen, wenn die Musik vorbei ist. Und alle sollen glauben, dass es das nun mit dem Bananentanz gewesen sei. Und Füllkrug und Otti sollen viel zu viel Angst haben, sich noch ein zweites Mal hinzustellen und ihre Version des Bananentanzes anzuzetteln, weil wer weiß, was nächstes Mal passiert. Aber wenn man eine Weile zu afrikanischen Kriegstrommeln getanzt und »Uh! Ah!« geschrien hat, passieren seltsame Dinge mit einem, merke ich jetzt. Da ist man nicht mehr zufrieden damit, sich einfach wieder hinzusetzen. Da denkt man nicht mehr an Janina und dass diese Lösung die beste für sie und ihre Hochzeit ist. Da ist man heiß auf Krieg. Und wenn man dann auch noch eine Waffe in der Hand hat, wird es wirklich gefährlich. Ich schüttele meine Banane in der Luft. Ich fühle, dass sie unter meinem Griff weich und matschig geworden ist. Und ich stehe direkt vor Füllkrug und sehe sein Gesicht. Und ich denke an die Stripperin in der Torte, an seine Hände auf meiner Schulter vor dem Einzug ins Schloss und an den echten Bananentanz, den er und Otti geplant hatten. Hat es dieser Mensch verdient, mit dem Leben davonzukommen? Hat er es wirklich verdient?
»UH! AH! UH! AH!«
Nein! Er
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