Hauptsache, es knallt!
noch heraus, dann schlägt sie die Hände vor das Gesicht. Der Weinkrampf, der sie schüttelt, ist so stark, dass mir das Zucken in ihren Augen vorhin viel zu harmlos vorkommt als Zeichen für das, was sie die ganze Zeit mit sich herumträgt.
»Hey, schon gut.«
Ich nehme sie wieder in den Arm und murmele unbeholfen etwas von »hätte jedem passieren können«, »Kirche im Dorf lassen« und »muss man doch aus einer Mücke keinen Elefanten machen«. Sie schluchzt aber etwas von »fand es sogar schön«, »schäme mich so« und »hab mir selbst alles versaut«.
Ich will was von »kann man nicht mehr rückgängig machen« und »versuche, nach vorne zu schauen« murmeln, verkneife es mir aber, weil es schon beim Denken so doof klingt. Stattdessen frage ich nach einer Weile: »Weiß denn noch jemand davon?« Sie kann jedoch vor Schluchzen nicht mehr sprechen. Komisch. Den ganzen Tag hatten wir keine Zeit für uns, obwohl wir dauernd an den gleichen Orten, in den gleichen Räumen oder im gleichen Auto waren. Trotzdem halte ich sie nun in den Armen, als hätte der Tag nur dies eine Ziel gehabt. Ganz langsam sickert es bei mir durch. Wir hatten von vornherein keine Chance, die Hochzeit zu retten. Janina hatte diesen blöden kleinen Seitensprung und macht sich jetzt fertig.
»Svea.«
Svea? Ach so, Svea weiß noch davon. Der aufgescheuchte Kolibrischwarm. Deswegen also.
Oh Mann. Jeder hat ja seine Meinung zu dem Treue-Thema. Und jeder findet Fremdsex irgendwie doof. Aber jetzt, genau in diesem Moment, als ich die weinende Janina im Arm halte, tut sie mir einfach nur leid. Muss man das denn grundsätzlich, immer und auf jeden Fall so hoch hängen?
»Wenn es dich so quält, dann beichte es Markus doch einfach.«
Einfach. Ich habe einfach gesagt.
»Ich kann das nicht.«
»Du wirst sonst deines Lebens nicht mehr froh. Ich merke es doch.«
»Aber er wird mich zum Teufel schicken.«
»Erstens wird er das nicht. Zweitens weißt du das auch. Drittens, wenn er das täte, wäre er es gar nicht wert, dich zu heiraten. Und außerdem würde ich ihm in den Hintern treten, dass man es bis nach Hannover hört. Tu es, Janina. Heute geht doch eh schon alles drunter und drüber. Du machst nichts kaputt. Es kann nur besser werden.«
»Eben. Es geht alles drunter und drüber. Und warum wohl?«
»Jetzt sei doch nicht abergläubisch. Das hat überhaupt nichts mit Paderborn zu tun. Komm, sprich mit ihm.«
»Aber … ich kann das nicht.«
Und ich kann sie verstehen. Wenn man so mit den Nerven runter ist, wie soll man dann auch noch mutig sein?
»Wir machen es so. Du holst jetzt noch mal ganz tief Luft, und ich gehe derweil und schicke dir Markus rauf. Der wollte nämlich eh schon nach dir gucken. Und wenn ihr zusammen seid, tust du einfach, was dein Herz sagt.«
Was dein Herz sagt. Schon wieder zu einfach, oder?
»Ich glaube wirklich, ich kann das nicht.«
»Keiner zwingt dich. Du kannst es auch morgen oder übermorgen noch beichten.«
Aber heute wäre es am besten. Das ist es, was mein Herz mir sagt.
»Und es gibt ja auch noch andere Sachen für euch zu entscheiden, Janina. Zum Beispiel, ob ihr einfach die Tür hinter euch zuschließt und in eurem kuscheligen Hochzeitszimmer bleibt und alle Gäste nur noch oh là là denken. Oder ob ihr doch noch einmal zusammen in die Party eintaucht und beim Tanzen den ganzen Mist vergesst. Oder ob ihr einfach meinen Admiral nehmt und nach Hause in euer Nest fahrt. Hier ist der Zündschlüssel. Die Fahrertür ist eh immer offen.«
»Danke, Tim.«
»Hey, ich würde alles für dich tun.«
»Aber … am besten wäre schon, ich erzähle ihm jetzt gleich alles, oder?«
»Wenn du kannst, ja, wenn nicht, dann halt nicht.«
Sie drückt sich noch einmal ganz fest an mich. Meine geprellte Rippe gibt mir einen Stich wie das Horn eines wilden Stiers, und ich frage mich zum tausendsten Mal in meinem Leben, warum das eigentlich nichts geworden ist mit Janina und mir. Dann gehe ich.
Hells Bells
Auf dem Flur höre ich die Stimmen der Kinder durch die Tür von Kurts Zimmer. Ich linse hinein. Alles gut. Sie gucken jetzt »Pettersson und Findus«, und zwei von den kleineren sind friedlich auf seinem Bett eingeschlummert. In irgendeinem der anderen Zimmer muss jetzt Sinja sitzen und lesen. Hoffentlich ist ihr Buch spannend genug, um sie für den Rest des Abends dort zu halten. Nicht, dass sie später doch noch einen Auftritt im Ersatzbrautkleid hinlegt.
Nachdem ich die Treppe hinunter bin, laufe ich
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