Hauptsache Hochzeit
sagte Helen und nickte.
»Leider werde ich nie erfahren, wie toll mein Kind sein könnte«, äußerte Giles. Als er unsere Mienen bemerkte, setzte er hastig hinzu: »Und das ist auch gut so. Verglichen mit deinem Kind, Ivana, könnte meines ja nur missraten sein. Scheissekind, meine ich.«
Ivana lachte, und wir stimmten alle ein, sogar ich.
»Ich sollte wohl mal los«, sagte ich und erhob mich widerstrebend. »Ich muss dringend nachdenken. Mich auspeitschen, vor einen Bus laufen oder so was in der Art.«
»Bleib hier, Jess«, sagte Helen und zog mich wieder herunter. »Wir lassen uns was einfallen. Wir brauchen nur noch ein bisschen Zeit.«
»Aber die habe ich nicht«, erwiderte ich seufzend. »Ich muss wieder zur Arbeit.«
»Schau«, sagte Giles plötzlich und zog sein Apfelsaftglas wieder zu sich. »Ich kenne mich nicht aus mit Nichtpreisgabe und weiß der Geier was und auch nicht mit Verleumdung, aber so wie sich’s anhört, geht es Max wohl gar nicht gut, oder?«
Ich zog die Augenbrauen hoch. »Das könnte man so sagen, ja. Sein Leben ist zurzeit nicht grade ein Spaziergang.«
»Dann wäre es vielleicht gut, ihn mit Dingen abzulenken, die ihm Freude machen?«
»Sex du meinstt?«, warf Ivana ein und richtete sich abrupt auf, nur um gleich wieder in sich zusammenzusinken. »Nicht ich. Ich balt bin fett. Kein bumm-bumm. Nicht firr Ivana.«
»Doch nicht Sex«, erwiderte Giles geduldig. »Die Hochzeit. Hochzeiten machen glücklich, nicht wahr? Sie bringen Familien zusammen, und alle sind voller Hoffnung und Optimismus. Konzentriere dich doch darauf, Jess. Scheiß auf die Arbeit. Denk groß. Denk an Blumen, verlier dich in Fantasien. Und wenn du aus deinen Flitterwochen zurückkommst, wirst du diesen Chester und Hugh und den ganzen anderen Mist vergessen haben.«
»Vergessen?«, fragte ich perplex. Ich wollte Giles nicht kränken, aber das war der dämlichste Rat, der mir jemals erteilt worden war. »Giles, ich glaube, du hast das nicht ganz verstanden. Es reicht nicht aus, wenn ich mich jetzt auf die Hochzeit konzentriere. Wir sind gerade dabei, unseren wichtigsten Kunden zu verlieren – oder vielmehr haben wir ihn schon verloren -, und zwar weil ich mit einem ekelerregenden Widerling geschlafen habe, der das
Max unter die Nase reiben wird, sobald ich versuche, etwas gegen ihn und seine Machenschaften zu unternehmen. Und du willst mit Max über den ersten Tanz reden?«
Giles sah nun doch gekränkt aus. »Ich will ja nur sagen, dass man den Kopf hoch halten und lächeln soll, wenn es hart auf hart kommt.«
Ich schüttelte ungläubig den Kopf. »Du hältst also totale Verdrängung für die Lösung?«
»Ja, das funktioniert.« Giles nickte nachdrücklich. »Das ist die englische Art. Meine Eltern glauben immer noch, dass ich eines Tages heiraten werde. Eine Frau.«
Helen unterdrückte ein Kichern. »Im Ernst?«
Giles nickte ernsthaft. »Sie können damit leben. Wir alle, meine ich. Die Männer aus der Schwulenbewegung würden jetzt verlangen, dass ich meinen Eltern die Wahrheit aufzwinge und vor ihren Augen zu Kylies letzter Single rumtanze. Ich liebe Kylie, und ich tanze auch zu ihrer Musik, aber nicht vor meiner Mam. Die glaubt bis heute, dass ich eben anspruchsvoll bin und nur auf die Richtige warte.«
»Aber sie muss doch wissen, dass du schwul bist«, wandte ich ein. »Ich meine, das ist nicht zu übersehen.«
»Sie kann das«, erwiderte Giles geduldig. »Sie sieht nur das, was sie sehen will. Genauso wie sie die Affären meines Vaters ignoriert hat. Und genauso wie er wiederum ihre hohen Kreditkartenrechnungen geflissentlich übersehen hat. Na ja, zumindest bis letzte Woche der Gerichtsvollzieher vor der Tür stand. Ich musste ihr Geld leihen. Und ein paar Klamotten.« Er biss sich auf die Lippe. »Ich will ja nicht behaupten, dass es ein perfektes System ist …«
»Tja«, sagte ich. »Nette Idee. Ich weiß nur nicht, ob ich damit durchkomme.« Ich schüttelte den Kopf. »Gott, ich wünschte, dieser Hugh Barter wäre tot«, fügte ich dann hinzu und griff nach meiner Handtasche. »Ich hasse diesen Typen. Ich hasse ihn wirklich aus tiefster Seele.«
»Wenn disse Hugh Prroblemm, wirr können lösen«, sagte Ivana, schlagartig interessiert. »Ich kenne Leute. Ein Anruff, tausend Dollarr, und ist erleddigt. Plopp.«
Ich sah sie an und versuchte zu ergründen, ob diese Bemerkung als Scherz gemeint war. Ihrer Miene nach zu schließen eher nicht.
»Gut«, sagte ich seufzend. »Ich denke, die
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