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Haus aus Erde

Haus aus Erde

Titel: Haus aus Erde Kostenlos Bücher Online Lesen
Autoren: Woody Guthriie
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unverwüstliche Schönheit, der ewige, dynamische Reiz, das Lockmittel, der Köder, die magnetische Anziehungskraft, die zusätzlich zu ihrer Blutsverwandtschaft mit und ihrer salzigen Liebe zu den weiten, offenen Flächen, ihrer lebenslangen Bindung an und ihrer Verehrung für das Land nicht nur Ella May und Tike Hamlin, sondern Hunderttausende, Millionen und Abermillionen anderer Menschen wie sie dazu brachte, ihren Samen, ihre Worte und ihre Liebe so freizügig auszustreuen.
    Und dennoch waren von diesen Millionen hart zupackender Menschen keine zwei genau so wie Tike und Ella May. Keines der anderen Millionen Gesichter war wie Tikes und keine der anderen Stimmen wie Ellas. Und obwohl es überall weitere Millionen dieser kleinen, schiefen, termitenzerfressenen, verrottenden und verfallenden Gifthäuser gab, wankte, schwankte, schaukelte, verbog und senkte sich keins davon an denselben Stellen wie dieses, befanden sich die Löcher, Risse, Ritzen, Schlitze, Scharten, Sprünge, Spalten nicht an genau denselben Stellen.
    Fünfeinhalb Meter, mit welchem Lineal, mit welchem Zollstock im Land man sie auch misst, sind fünfeinhalb Meter, doch im Lauf von vierzig Jahren saugen einige Hütten Feuchtigkeit und Regen auf und dehnen sich um gut sechs bis neun Zentimeter. Andere trocknen aus und verlieren ihr Harz, ihr natürlicher Saft verflüchtigt sich, auf allen vier Seiten sengt die heiße Sonne auf sie herab, und die trockenen Winde rütteln und reißen an den Brettern und verstreuen die Schindeln über den Erdboden, sodass die Hütte nach denselben vierzig Jahren um gute zehn Zentimeter schrumpft.
    Tikes und Ellas Hütte fiel weder in die eine noch in die andere Kategorie, sie gehörte weder zu den nassen Hütten, die schwellen, noch zu den trockenen Hütten, die schrumpfen. Sie war eher ein Zwischending und litt umso mehr. Sie hielt den Regenfällen des Vorfrühlings stand, die die schwarzen Schlammfurchen überfluteten, bis sie aussahen wie die ruhigen Teile der Ozeane. Diese Frühlingsregen kamen gleich nach den Hagelstürmen, die die grünen Schösslinge mit Hagelkörnern, groß wie Steckrüben, zertrümmerten. Autodächer werden verbeult und von jedem Stängel und von jedem wachsenden Ding die ersten Blätter geschält. Das Wasser dieser Stürme strömt vom Himmel und zerkaut den hart gepackten Schlamm zu einem klebrigen, glatten schwarzen Brei, in dem alle Karrenräder, alle Autorräder, alle Traktorräder stecken bleiben. Dieses Wasser, das tage- und wochenlang auf Straßen und Feldern steht, spiegelt die Farbe der Wolken und der Sonne, denn hier gibt es keine von Menschen angelegten Gräben, keine kupfernen Rohre, keine blechernen Rinnen, keine eisernen Schächte, die die Fluten aus dem Flachland leiten. Einen Teil des Wassers nimmt das Erdreich auf, um seine Adern zu füllen, einen anderen schöpfen die Winde ab, um sich zu besaufen, ein bisschen davon trinken Pferde, Schweine und Kühe, wenn sie sich nicht darin suhlen, und die Menschen? Die stapfen und stolpern durch den Rest. Trotzdem gibt es überall auf den Plains Seen und noch mehr Seen, flache, seichte Tümpel mit Himmelswasser, und der Wind, der von diesen Gewässern weht, fühlt sich an wie die gespaltene Zunge des Winters.    
    Die Hagelstürme, die Fluten, die fallenden und die stehenden Gewässer, sie alle stürzten, spritzten, krachten, platzten und prasselten gegen die gemaserten Bohlen und Bretter von Hamlins kleiner Hütte. Und sie alle durchweichten sie, jeder einzelne Tropfen.
    Dann kamen die langen, scharfen Strahlen der Spätfrühlingssonne. Jeden Tag brannten sie mehrere Stunden lang aufs Haus. Sie saugten. Sie bissen. Sie kratzten. Sie scharrten und schabten an den Brettern. Und sie schlürften die wilden Säfte, Harze und andere Flüssigkeiten, zusammen mit den Winden, den trockenen Zungen und Lippen der Witterung, die da singen und flüstern, dann saugen und all die kleinen Häuser küssen, bis sie wieder trocken und spröde sind. Und dies war die Trockenheit der Hitze, die auf das Haus prallte.
    Keine Gegend auf Erden ist der Sonne näher als die flachen Upper Plains. Kein Fleck auf dem Erdenrund ist dem Wind näher als die nördlichen Ebenen des Panhandle. Nirgendwo sonst könnte der Wind kälteren Regen blasen als hier, nirgendwo sonst könnte der Regen hoffen, heftiger zu fallen oder länger liegen zu bleiben. Kein Wind der Welt bläst tagein, tagaus staubiger oder trockener oder heftiger. Nirgendwo auf dem Planeten saugen Wind

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